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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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des Elends. Stimmt nicht. Das Tierheim, in dem ich mich gerade bewege, ist weitläufig und gepflegt wie eine Parkklinik für Privatpatienten. Interessant. Sollte ich mal obdachlos werden, wäre es auf jeden Fall eine Option, mich als streunender Vierbeiner auszugeben.
    Natürlich will mein Kopf die ganze Zeit über gestern Nacht nachdenken, aber ich erlaube es ihm noch nicht. Ich brauche jetzt erst mal Abstand. Deswegen ist es doppelt gut, dass ich jetzt im Tierheim bin. Erstens: andere Umgebung. Zweitens: Ich habe eine Aufgabe.
    Ich schreite die vollverglasten Wände der einzelnen Katzen-Apartments ab und schaue nach den Miezen, die sich auf mannshohen Kratzbäumen tummeln, aus gemütlichen Körbchen herausschauen oder sich feist auf ihren vergitterten Außenbalkons in der Sonne räkeln. Mit jedem gesichteten Tier werde ich hilfloser. Die paar Infos, die mit abwaschbarem Filzer auf die an den Türen befestigten Plastiktäfelchen geschrieben wurden, helfen mir gar nicht. Schon allein die Rassennamen: Britisch Kurzhaar, Kurilian Bobtail, German Rex. Was soll das bitte alles?
    Zum Glück guckt mich dieser eine kleine graue Felltiger, der gerade neugierig zur Scheibe geschlichen ist, mit so lieben großen Kulleraugen an, dass ich wieder etwas Mut fasse.
    Wenigstens unter dem Stichwort »Charakter« findet man auf den Plastikkärtchen ab und zu etwas handfestere Informationen: »Gel. aggressiv«, »kratzt o. Grund«, »bissig« – da weiß man wenigstens, woran man ist. Ich sollte mich mehr in Richtung »schmust gerne«, »total verspielt« und »sehr verständnisvoll« orientieren. Aber ist das alles, was die richtige Katze ausmacht? Wie kriege ich raus, welche wirklich für meinen Zweck taugt?
    Ich trete einen Schritt zurück, schließe die Augen und konzentriere mich auf meine geistige Mitte. Alle Gedanken werden nach und nach ausgeblendet, bis ich die große dunkle Leere vor mir habe. Inmitten der Leere steht in riesigen leuchtenden Buchstaben nur noch ein Satz:
    »Welche Katze passt zu Ekkehart?«
    Doch, die Idee ist gut. Ich habe seit gestern immer wieder darüber nachgedacht. Zumindest sollten wir es probieren. Zurückbringen kann man sie ja immer noch, wenn alle Stricke reißen.
    Erst als ich das Gefühl habe, dass ich wirklich bereit bin, öffne ich die Augen wieder. Der kleine graue Felltiger von eben schaut mich immer noch an. Das kann jetzt natürlich Zufall sein, aber irgendwie…
    »Oh, Mama, guck mal. Ist die nicht goldig? Die will ich haben!«
    Mist. Das kleine Mädchen meint mein Tigerchen…
    »Hör mir auf. Isch will doch nisch so was langweiliges Graues. Krisch ja Deppressonen.«
    »Aber, Mama…«
    »Jetzt geh mir nisch auf die Nerven.«
    Die unglaublich dicke Wachtel mit der Reibeisenstimme schubst ihre Tochter weiter. Das ist ja noch mal gutgegangen. Jetzt aber nicht mehr lange gezögert. Ich hechte sofort zur Katzenaufsicht, eine unauffällige Endfünfzigerin mit Strickpullover, die in der Ecke sitzt.
    »Hallo! Ich interessiere mich für die da.«
    »Sie meinen die Christa?«
    »Ja, genau, die Christa.«
    Während die Dame mit dem Schlüsselbund heranschreitet, gucke ich mir Tigerchens Plastikkärtchen an.
    »Ähm, ich sehe gerade, da steht ja gar nichts unter Charakter bei der Christa. Die ist doch hoffentlich verschmust, verspielt und verständnisvoll?«
    »Also, die haben wir erst Anfang der Woche reinbekommen. Viel kann ich Ihnen da nicht sagen. Wir wissen nur, dass sie gerne ausbüchst, wenn die Tür offen ist.«
    »Aha.«
    »Wollen Sie mal zu ihr reingehen?«
    Klar will ich. Die Katzenaufsicht sperrt auf. Tigerchen kommt gleich auf mich zugetapst und schnuppert an meiner ausgestreckten Hand.
    »Rahmauz.«
    »Hallo, Tigerchen! Hm, also ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Rahmauz.«
    »Du kannst wirklich sehr ausdrucksvoll mauzen.«
    »Rahmauz.«
    Wie putzig. Sie streicht um meine Beine herum.
    »Du, ich komm mal gleich zur Sache, Tigerchen. Ich hab da einen Freund, den Ekkehart, und der ist ziemlich allein, und da dachte ich mir, ihr beiden würdet euch vielleicht…«
    »Rahmauz.«
    »Du bist also einverstanden?«
    »Rahmauz.«
     
    * * *
     
    Die Katzentransportbox, die ich mir für Tigerchen gekauft habe, ist richtig schick. Man kann sogar einen Umhängegurt daran befestigen, wenn man will. Das würde aber zu sehr schaukeln, finde ich, deswegen trage ich sie ganz vorsichtig am Griff.
    »Rahmauz.«
    »Ja, Tigerchen, ich weiß, du willst raus. Dauert nicht lange.

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