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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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duschen gehen. Die nächste Gruppe kommt gleich, und das gibt dann immer so ein Gedrängel im… Umkleideraum.«
    »Lukas!«
    Es sind zum Glück nur zehn kurze Schritte zur Männerdusche. Ich stürze durch die Tür, knalle sie hinter mir zu und reiße mir die Sportsachen vom Leib. Sekunden später stehe ich unter dem Duschstrahl. Hier kann ich erst mal bleiben. Kein Mensch bemerkt, dass bei mir unten etwas mehr Wasser in den Abfluss fließt, als oben aus dem Brausekopf herauskommt.
    »Kann ich noch mal dein Biotherm…?«
    »Nimms… dir.«
    »Danke. Na, Ekkehart, gut geschwitzt?«
    »Also, wie gesagt, ich hätte locker noch eine halbe Stunde dranhängen können, Viktor.«
    »Hut ab vor deines Körpers jugendlicher Kraft.«
    »Tschüss, wir sehen uns dann später, Lukas.«
    Ich warte, bis der Letzte fertig ist, und gehe erst dann in den Umkleideraum. Dort tummeln sich allerdings schon die Männer aus dem Spinning-Kurs und rollen mit den Augen, weil hier immer noch ein Vital-Kompaktler rumhängt und Platz wegnimmt. Mir egal. Hauptsache, ich hab mich wieder gefangen.
    Ich werfe mir die Sporttasche über die Schulter und luge vorsichtig aus der Tür. Ines ist weg. Ich atme durch, setze mich in Bewegung und winke im Vorbeigehen Toni zu, der mit krauser Stirn über seinen Rechnungen brütet.
    Während ich auf den elend langsamen Aufzug warte, stelle ich mir vor, wie es im Kloster sein wird. Früh aufstehen? Klar. Sehr früh. Beruhigende Gesänge mitsingen. Auf Lateinisch beten. Harte körperliche Arbeit im Klostergarten. Karges Essen, noch mal beten, noch mal singen, noch mal arbeiten. Alles ganz großartig. Und nach und nach werde ich ruhig und zufrieden. Ja, ruhig und zufrieden. Selbstverständlich werde ich ruhig und zufrieden. Von dem ganzen Zeug kann man doch nur ruhig und zufrieden werden. Was sonst? Gebrochen und verzweifelt vielleicht? Ha!
    Ziiinggg!
    Mit einem Schlag breitet sich ein Gefühl in meinem Magen aus, als ob dort eine Atombombe hochgegangen wäre. Alles ist voll Licht. Aber es ist kein gutes Licht. Es tut nicht weh, macht aber trotzdem alles kaputt. In mir zieht und drückt es. Ich weiß nicht, ob das in meinem Kopf passiert, oder in meiner Brust, oder in meinem Bauch, oder überall gleichzeitig. Aber das Schlimmste ist das gigantische Gewicht, das auf einmal erbarmungslos von oben auf mich hinabdrückt und meinen hilflosen Körper zusammenstaucht. Und der harte Boden des Klostergartens gibt keinen Millimeter nach.
    Ohne nachzudenken taumele ich quer durch den Vorraum, bekomme ein Geländer zu fassen und ziehe mich eine halbe Treppe nach oben. Dass ich mit diesem Gewicht auf den Schultern aufwärts komme, irritiert mich. Mir wird schlecht, wie einem noch untrainierten Astronauten, der zum ersten Mal die Schwerelosigkeit erlebt. Ich beuge mich in eine Ecke des Treppenhauses, um zu kotzen, aber es kommt nichts. Ich ziehe mich die nächste halbe Treppe hoch. Das Treppenhauslicht geht aus, und keiner schaltet es wieder an. Gut so. Ich will jetzt auf keinen Fall jemandem begegnen.
    Es zieht und drückt wieder in mir. Ich beuge mich in die nächste Ecke, und wieder kommt nichts. Komisch, wenn einem richtig schlecht ist, dann versucht man immer, sich nicht zu bewegen. Bei mir ist es gerade anders. Je weniger ich mich bewege, umso schlimmer wird es. Ich muss aufhören, an das Kloster zu denken. Das war eine Scheißidee.
    Aber was kann ich sonst machen? Das Ziehen und Drücken, der Schwindel, die eingebildete Übelkeit, das geht vielleicht alles mit der Zeit wieder weg. Nur das Gewicht, das ist gekommen, um zu bleiben. Das spüre ich in allen Fasern. Ich schleppe mich durch die Tür auf die Dachterrasse, die von allen, die hier im Haus arbeiten, als Raucherasyl genutzt wird. Über die Tischlein und Aschenbecher hinweg starre ich das Geländer an.
    Jaha, klar kann ich mich umbringen. Das wäre ein sicherer Weg, das Gewicht zu killen. Natürlich mache ich es nicht. Es ist nur ein tröstlicher Gedanke. Der Ausweg, der immer bleibt. Irgendwann bin ich aus dem Gröbsten raus. Dann lach ich drüber.
    Okay, die Tür zum großen Liebesglück stand sperrangelweit offen, und das Schloss war sogar kaputt, aber ich habe sie immer wieder so fest zugeschmissen, dass der alte rostige Riegel am Ende doch noch zugeschnappt ist. Sehr dumm, wirklich, aber, hey, heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens, oder?
Each time I find myself lying flat on the face
    I’m gonna pick myself up and get back in the race…
    Lala…
    Ha,

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