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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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überhaupt, die paar Meter. Wenn ich da runterspringe und mich geschickt anstelle, komme ich mit einem verstauchten Bein davon. Drei Stockwerke. Lächerlich. Gibt genug Hochhäuser und Kirchtürme. Und die Autobahnbrücke. Überhaupt, wer sagt denn, dass es springen sein muss? Da könnte man ganze Abende im Internet forschen, was noch alles geht. Wenn, dann sollte man aus dem ganzen Spektrum das Beste für sich auswählen. Wenn.
    Ich schaue in den Abendhimmel. Heute ist es seit vielen Tagen endlich wieder klar, so dass man in ein paar Stunden sogar hier mitten in der Stadt ein paar Sterne sehen können wird. Das ist doch wunderschön! Wie das ganze Leben! Und überhaupt!
    Gut, wenn ich mit dem Kopf voraus springen würde, Hände an der Hosennaht, das wäre ein sicherer Tod. Einfach mit dem Kopf zuerst aufschlagen. Das würde mit etwas Glück sogar noch aus dem ersten Stock funktionieren. Und von hier aus – todsicher. Todsicher, haha, genau. Auf das Geländer stellen, strammstehen wie ein Soldat und sich langsam nach vorne kippen lassen.
    Hätte man sich auf jeden Fall die elende Forscherei im Internet erspart. Klar, so spontan sollte man das nicht machen. Auf keinen Fall. Ich habe nur eine potentielle Methode gefunden, mehr nicht. Ich steige jetzt nur mal aufs Geländer, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Um die Angst vor dem Tod zu spüren und nie wieder drüber nachzudenken.
    Ich stelle meine Sporttasche hin. Wie schnell man da oben ist. Ein Klacks für einen Mann in meinem Alter. Tausend Sachen sind anstrengender als Selbstmord. Was für ein krasses Missverhältnis zwischen Aufwand und Wirkung. Natürlich hat es andererseits auch was Erhabenes, hier zu stehen und sich fallen zu lassen. Man lässt sich von der Stadt verschlucken. Das ist ja wohl mindestens so malerisch wie ein Brückenselbstmord… Die erste Idee ist die beste, hab ich schon immer gesagt. Hm, es ist irgendwie verflixt schwer, hier wieder herunterzusteigen, wenn man genau weiß, was für ein Elend einen erwartet. Und wenn man sich beim ersten Mal nicht traut, traut man sich nie, oder? Wie beim 10-Meter-Brett. Ha, und der entscheidende Punkt: Ich sterbe doch sowieso. Es ist schon längst entschieden. Es wäre wirklich nicht der schlechteste Zeitpunkt jetzt, oder?
    Nur mal eine kleine Generalprobe. Hände an die Hosennaht… Halt! Abschiedsbriefe?… Nein, keine Abschiedsbriefe. Sowieso nur eine Generalprobe. Hände an die Hosennaht, an Ines denken. Hm, tut gar nicht mehr weh, wenn man… Ja, also das überzeugt mich jetzt schon irgendwie…
    Oh, was machen denn die beiden Typen da unten? Nein, das tu ich denen nicht an. Muss man sich nur mal vorstellen, was für eine Sauerei… Moment… das ist ja der Ekkehart. Ja, kein Zweifel. Er unterhält sich mit dem anderen. Scheinen sich zu kennen. Das muss dann wohl Karlchen sein! Jetzt bin ich aber neugierig.
    Ich steige auf der gefährlichen Seite vom Geländer hinunter auf einen Ziervorsprung, halte mich mit einer Hand an der Griffstange fest und hänge mich so weit es geht über den Abgrund. Muss der Typ so im Schatten stehen? Ich will sein Gesicht sehen. Komm schon… Ah, jetzt… Waaas? Das gibts nicht. Das glaub ich jetzt nicht…
    »LUKAS! NEEEEIIIIIIN!«
    Hm?… Ach so…
    »Psssssst!«
    Ich schwinge mich über das Geländer zurück auf die Terrasse, wo mich eine kreidebleiche Ines in Empfang nimmt.
    »Bist du wahnsinnig? Ich habe dich überall gesucht. Du…«
    »Sei ruhig! Ich spioniere doch nur. Schau mal da unten.«
    Ines geht langsam. Ihre Knie zittern.
    »Na ja, da steht Ekkehart mit irgendeinem Typen.«
    »Karlchen.«
    »Aha.«
    »Schau genau hin… He, nicht so weit übers Geländer lehnen. Wenn du da runter fällst, bist du tot, Ines!«
    Sie greift meinen Arm.
    »Das gibts doch nicht, Lukas!«
    »Tja, krass, oder?«
    »Karlchen ist der Streberscheitel!«
     
    * * *
     
    Inzwischen haben wir so viel Routine beim Unruhig-im-Wohnzimmer-Herumlaufen, dass wir die Augen dabei zumachen könnten und uns trotzdem nicht rammen würden. Ich frage mich allerdings allmählich, ob es wirklich etwas bringt.
    »Also noch mal, was hat das zu bedeuten mit Streberscheitel-Karlchen?«
    »Na, er und Ekkehart sind halt Komplizen. Karlchen sollte uns im Tangokurs überwachen.«
    »Hast du gehört, was die beiden geredet haben?«
    »Nein, nur ein bisschen die Stimmen.«
    »Die Stimmen. Eigenartig, jetzt wo du es sagst…«
    »Ja, so hell und freundlich, auch wenn er damit im Kurs immer so

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