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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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Tüte mit den Morcheln ein, und wahrscheinlich ist es nur der Gedanke daran, der mich überhaupt weitermachen lässt.
    »Feuer, ich muss Feuer machen.« Ich weiß, dass ich früher mal ein Feuerzeug gesehen habe. Aber jetzt erinnere ich mich nicht mehr daran, wo. Ich taste mit den Händen über den Berg. Versuche genau und systematisch vorzugehen, suche Stück für Stück zwischen dem zusammengefallenen Windschutz und der Feuerstätte. Ich finde kein Feuerzeug. Ich werde unsicher. Vielleicht habe ich es ja ein anderes Mal gesehen. Erinnere ich mich noch von früher daran? Aus einer Zeit, als ich bei etwas ganz anderem dabei war? Ich weiß es nicht. Wie sollte ich es auch wissen können? Ich bin doch nur ein kleines, knabberndes Tierchen, das bald sterben wird.
    Ich sinke zusammen, merke, dass es unbedingt notwendig ist auszuruhen. Mein Körper schafft es nicht mehr. Es ist zu Ende. Die letzten Reserven sind aufgebraucht. Ich überlege, dass ich zwar Punkt eins und Punkt zwei geschafft habe, aber was ist danach passiert? »Punkt drei war doch etwas zu essen, oder?« Mir fällt die Elchlosung in der Tasche ein, aber bevor die Hand sich hineinschieben kann, falle ich um.
    Ich glaube, ich wache von neuen Schmerzen auf. Etwas sticht mir direkt ins Gesicht. In die Wange unter meinem Auge. Drückt hart gegen den Wangenknochen. Das habe ich vorher noch nicht gespürt. Ich taste mit der Hand über die Wange und bekomme etwas zu fassen. Ich lasse die Finger das Ding abtasten, und vielleicht liegt es daran, dass ich vorher so viel daran gedacht habe, dass es mir so schnell gelingt, ein Wort für die Form zu finden, die meine Finger ertasten: »Feuerzeug!«
    »Feuer! Es ist mir gelungen, ein Feuer zu machen!« Als ich die frischen Kiefernzweige knacken und knistern höre, merke ich, wie mein ganzer Körper sich entspannt. Ich sehe eine dicke dunkelgraue Rauchsäule langsam in den Himmel steigen, die in der dunklen Nacht verschwindet.
    Die Erleichterung ist riesig. Ich habe es geschafft! Jetzt wird es schön sein zu schlafen. Und das ist wirklich nötig. Ich habe ein Gefühl, als könnte ich hundert Jahre lang schlafen. Gerade bevor ich mich neben dem Feuer zusammenkauere, fallen mir die Morcheln ein. Es ist wohl das Beste, wenn ich sie brate. Ich krieche zu dem Windschutz und hole die Plastiktüte.
    Ich rolle einen der Steine ins Feuer und lege vorsichtig die Morcheln darauf. Dann schiebe ich die langen Stämme ins Feuer.
    »So«, denke ich. »Das wird eine ganze Weile brennen.« Als ich aufwache, erkenne ich das Graue wieder, das ist kein Rauch, sondern die Morgendämmerung. Bald wird es hell werden. Dann fällt mir das Feuer ein. Ich öffne das Auge und sehe, dass das Feuer heruntergebrannt ist, aber immer noch Glut leuchtet. »Die Morcheln! Mein Essen!«
    Der Stein steht immer noch mitten in der Feuerstelle. Ich fasse ihn an einer Kante an, lasse aber sofort wieder los, denn er ist glühend heiß. Ich beuge mich vor, um meine Pilze zu betrachten. Zuerst sehe ich gar nichts. Aber als sich das Auge an den Schein der Glut gewöhnt hat, entdecke ich verkohlte Reste von etwas, das meine Morcheln gewesen sein können.
    »Scheiße!«, denke ich. »Mein Essen!« Ich schlage mit der Faust auf den Boden. Dann beruhige ich mich. Ich merke, dass ich gar nicht hungrig bin. »Aber da ist dieser Plan, den ich aufgestellt habe. An den muss ich mich halten! Was immer auch passiert.« Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, warum das so wichtig ist. Doch es ist das Einzige, was im Augenblick wichtig ist. Alles andere kann warten. Aber ich muss mich an den Plan halten.
    Ich krieche um die Feuerstelle herum und schiebe die Teile der Dachhalterung hinein, die nur halb abgebrannt sind und neben dem Feuer liegen.
    Die Glut strahlt Wärme aus, und die Zweige fangen schnell Feuer. »Schön«, denke ich. »Ich brauche Wärme.«
    Als ich mich wieder hinlege, falle ich auf den Hesan. Ich bekomme ihn an einem Ohr zu fassen und ziehe ihn hervor. »Armer kleiner Hesa«, denke ich, als ich den zermarterten Körper sehe. Ich drücke ihn an meinen Körper, sodass er aufrecht sitzen kann. Ich schaue ihn an. Dann denke ich: »Was rede ich eigentlich. Das ist doch ein Hase.« Und der nächste Gedanke: »Kim, wenn du wirklich irgendwann Punkt drei schaffen willst, dann solltest du vielleicht diesen Hasen jetzt über der Glut grillen.«
    Eine spitze Stange liegt ein Stück vom Feuer entfernt. Ich spieße den Hasen auf die Stange und hänge ihn tief über die

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