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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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Es liegt wie Nebel über dem Berg. Der Schmerz bohrt sofort seine scharfen Klauen in mich, aber ich bin ihn inzwischen so gewohnt, dass ich mich nur ein wenig zusammenkrümme. Wieder habe ich Hunger und Durst. Ich hole die Flasche heraus und trinke aus ihr. Dann fühle ich die Elchlosung in meiner Tasche. Ich hole ein Stück heraus und esse es vorsichtig. Es schmeckt nach gar nichts. Ich esse noch eins, dann ist es genug.
    Mir fällt ein, dass ich die ersten beiden Punkte auf meiner Liste erledigt habe und merke, wie mich das mit Mut erfüllt. Und Punkt drei, das Essen, erledige ich gerade. Wenn man es denn so nennen kann. Ich schaue in das graue Dämmerlicht hinaus. Das Feuer ist jetzt ganz ausgegangen. Es raucht nicht einmal mehr. Da entdecke ich einen Hesa, der neben das Feuer geworfen wurde. Das Fell hängt ihm in langen Fetzen vom Leib. Ich spüre, wie Ekel und Wut in mir aufsteigen. »Wie kann man nur so etwas tun«, denke ich. »Wie kann jemand einen Hesa so behandeln?«
    Ich überlege, dass ich schnell einen neuen Plan aufstellen muss. Ich brauche mehr zu essen und später auch mehr zu trinken, aber ich muss außerdem planen, wie es weitergehen soll. Vielleicht gibt es ja eine Zukunft. Ich bin am Leben, wenn auch äußerst schwach, wie ein kleines knabberndes Tierchen im Wald.
    Punkt vier muss warten, bis ich mehr zu essen besorgt habe. Ich ziehe mich aus dem Windschutz und stoße auf eine Plastiktüte, die zwischen die Stangen im Dach gesteckt wurde. Ich ziehe sie herunter, wickle sie aus und sehe, dass sie große braune Klumpen enthält. Bärenlosung ist das erste Wort, was mein Gehirn mit diesen braunen Klumpen in Verbindung bringt. Nein, das ist nicht richtig. Nach einer Weile Nachdenken fällt mir ein, dass es sich vielleicht um eine Art von Pilz handelt. »Morcheln, so heißen die doch, oder?« Und Pilze kann man essen!
    »Feuer«, denke ich. »Ich muss Feuer machen. Das wird Punkt vier. Über dem Feuer kann ich meine Pilze zubereiten.« Mein Auge schaut sich um. Sucht das Gelände sorgfältig ab. Jetzt ist jedes Detail wichtig. Jeder Zweig ist eine Möglichkeit. Ich registriere einen toten Zweig ganz unten an einer Kiefer. Den kann ich vielleicht erreichen. Ich sehe einen kleinen vertrockneten Baumstamm, der benutzt werden könnte. Auf jeden Fall ist es einen Versuch wert. Ich suche weiter. Finde sieben Tannenzapfen, ein paar Tannennadeln und noch einen Zweig auf der Erde hinter dem Windschutz. »Das reicht nicht.«
    Der Schmerz kommt in einem plötzlichen Angriff zurück, der mich mit seiner Wucht überrumpelt. Der Schmerz kommt in Wogen. Ich merke, wie mir schwarz vor Augen wird.
    So bleibe ich eine Weile liegen, um zu sehen, ob ich es schaffe. »Doch, ja, das halte ich aus.« Denn andere Teile meines Körpers haben sich ausgekoppelt. Die Teile, in denen der Schmerz unerträglich ist.
    Ich mache mich an die mühsame Arbeit, die brennbaren Dinge einzusammeln, die ich um den Windschutz herum entdeckt habe. Ich krieche zu den Tannenzapfen, kämpfe eine Ewigkeit mit dem kleinen, widerspenstigen Baumstamm und kann schließlich seine Außenhülle lösen. Der innere Kern weigert sich loszulassen, bleibt wie eine gelbliche Wurzel nach missglücktem Zahnziehen in der Erde stecken.
    Ich lege meinen Fund auf die Feuerstelle und baue eine kleine Pyramide aus Zweigen, Tannenzapfen und Baumrinde. Ich kann sehen, dass es nicht reicht. Da fällt mir plötzlich ein, was mein Auge vorher gesehen hat: das Dach des Windschutzes! »Wie dumm ich doch bin! Da gibt es genug Holz.«
    Ich krieche zurück zum Windschutz, stelle fest, dass das Dach höher sitzt, als ich gedacht habe. Es ist an den Enden mit Seilen zusammengebunden. Das herunterzubekommen wird schwierig werden. Das wird lange dauern.
    Gerade als die Abenddämmerung anfängt, das Licht zwischen den Baumstämmen zu beschweren, kann ich die erste Dachhalterung lösen. Ich ziehe sie heraus und höre, wie es donnert, als sie zu Boden fällt.
    Als ungefähr das halbe Dach abgebaut ist, ist es bereits stockfinster um mich herum. Ich schleppe alle losen Teile zur Feuerstelle. Dann breche ich die Kiefernzweige vom Windschutz in winzigkleine Teile. Ich lege sie auf die kleine Pyramide, die ich aus den trockenen Zweigen, den Tannenzapfen und der Baumrinde errichtet habe.
    Mein Körper zittert, und ich weiß nicht, ob vor Erschöpfung oder vor Kälte. Ich brauche etwas zu trinken. Ich brauche etwas zu essen. Das kann nicht mehr lange so weitergehen. Dann fällt mir die

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