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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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Luft oder als fürchte er sich.
    Dann höre ich, wie sich etwas direkt neben mir bewegt. Etwas bewegt sich schnell im Gebüsch und gelangt zu mir. Ich spüre, wie etwas mich berührt. (»Tove? Bist du da?«)
    Etwas, von dem ich annehme, es ist Criz' Stimme, erreicht mich. Sie klingt unruhig. Ich versuche zu antworten, ich stöhne. Ich glaube, das ist das einzige Geräusch, das ich hervorbringen kann. Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe.
    (»Warte, ich komme.«)
    Dann packt sie mich bei der Jacke und zieht mich hoch. Ronjas Schwanz schlägt mir gegen's Bein. (»Wie geht es dir?«)
    Ich versuche etwas zu sagen, aber statt Worten kommt nur Speichel heraus. Ich übergebe mich mit einer Wucht, die sich wie ein Schüttelkrampf durch meinen ganzen Körper fortpflanzt, durch Bauch, Schultern und Beine, durch Arme, den Po und den ganzen Kopf.
    (»Gleich wird es besser, du wirst sehen.«)
    Ich glaube, sie legt mir den Arm auf den Rücken und versucht mich auf die Beine zu ziehen. Das klappt. Ich stehe auf. Meine Beine zittern, mein ganzer Körper zittert, und ich nehme an, dass Criz in dem Moment begreift, wie schlecht es mir geht. Ich bleibe ein paar Sekunden so stehen, dann falle ich in voller Länge nach hinten ins Gestrüpp.
    Sie ruft Philip. Schreit, dass sie warten sollen. Dass sie zurückkommen und helfen sollen.
    Pias Stimme antwortet ganz aus der Nähe.
    Obwohl ich so betrunken bin, dass mein Kopf fast abgeschnürt ist, kann ich hören, dass sie genauso blau ist wie ich. Vielleicht reden wir ja die gleiche Sprache. Sie ruft mehrere Male, um uns zu lokalisieren, und dann höre ich, wie sie sich neben mir sinken lässt, wie sie geradezu wie ein aufblasbarer Schwan, der gegen etwas Scharfes gestoßen ist und dem jetzt die Luft ausgeht, neben mir zusammensackt.
    (»Oh Scheiße, du hättest tot sein können.«)
    Philip kommt heran. Er leuchtet mit seiner Taschenlampe auf mich. Das scharfe Licht fällt mir direkt in die Augen, und ich versuche es mit den Armen wegzuschlagen. Es drängt sich mir auf, dass mir davon übel wird. Dann spüre ich, wie mich eine harte Faust an einem Arm packt. Ich werde vom Boden hochgezogen, bleibe unsicher stehen, während ein Arm meinen Rücken mit sicherem Griff stützt. Ich höre, dass er etwas sagt, verstehe aber nicht so richtig, was. Als er es wiederholt, nehme ich an, dass er will, dass ich losgehe, aber als ich es versuche, gehorchen meine Beine nicht. Sie machen einen Schritt direkt ins Leere. Philip flucht. Dann fühle ich, wie der Griff um meinen Rücken fester wird. Ich bewege mich. Ich kann nicht sagen, wie es möglich ist, aber ich merke, dass ich geradezu den Berg hinunterschwimme.
    Ich weiß nicht, wie ich von dort wegkomme. Ich habe nicht einmal nebulöse Vorstellungen davon. Alles ist weg. Alles ist leer. Es ist nicht ausgewischt, denn es hat nie existiert. Ich habe nichts von dem, was passiert ist, registrieren können. Das Letzte, an was ich mich noch erinnere, ist der Moment, als ich auf dem Berg stehe, direkt ins Leere trete und in etwas Schwarzes falle. Und dann die Stimmen. Pias und Criz' und Philips und Mannys, die in der Dunkelheit herumschweben. Ich versuche mich an damals zu erinnern und weiter zurück, sozusagen in die andere Richtung. Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen, nichts anderes als die Tabletten. Als ich von Mannys Zigarette ziehe, ist es, als würde mein Gehirn einfach weggesogen. Ab da wird alles undeutlich und unwirklich. Es ist, als befände ich mich nicht mehr auf dem Berg, ich bin irgendwo anders. Ich glaube, dass wir alle das so erlebt haben. Vollkommen unwirklich, wie einen Film. Was mir noch einfällt: Wir haben unsere Scherze mit Kimmi getrieben. Wir haben gespielt, er wäre unser Sklave. Dann erinnere ich mich, dass etwas passiert ist, dass die Stimmung gekippt ist. Einige wurden böse aufeinander, das können Manny und Kimmi gewesen sein. Die hatten sich früher schon gestritten. Aber meine Erinnerung ist so vage. Was mich wundert: Ich kann mich selbst sehen, wie ich auf dem Boden vor dem Windschutz liege. Ich höre, wie ich über alles laut lache. Irgendwo habe ich das vage Gefühl, dass etwas schiefläuft, was aber nicht schlimm ist. Dass es sich nur um etwas handelt, was in diesem blöden Nebel passiert und das wieder gut sein wird, wenn es hell wird und wir wieder nüchtern sind.
    Ich wache davon auf, dass mir jemand ins Gesicht schlägt. Als es noch einmal passiert, öffne ich langsam die Augen. Ich merke, dass ich an einen Baum

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