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Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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und hierher kommen“, sagte ich. „Es funktioniert so nicht.“
    „Wir ziehen die Sache durch“, erwiderte Hilko. Er wandte sich an Markus, der gebannt verfolgte, wie Eugen um den Kadett herumging und mit einem „Alles aussteigen! Endstation!“ die Beifahrertür öffnete.
    „Markus, du kannst doch Autofahren!“, flüsterte Hilko.
    Markus sah ihn groß an. Es stimmte, Markus hatte auf dem Garagenhof schon mal ein paar Runden mit dem VW seines großen Bruders gedreht. Einmal war er sogar heimlich mit uns ein paar hundert Meter gefahren. Als sein Bruder früher als gewohnt vom Mittagessen zurückkam und wir gerade mit seinem Käfer eine rasante Vollbremsung mit blockierenden Reifen auf dem Asphalt absolvierten, gab es einen Riesenärger. Inklusive Kopfnüsse für jeden von uns.
    „Er muss die Karre durch ein Wohngebiet fahren“, protestierte ich. „Man wird ihn sehen.“
    „Quatsch!“, widersprach Hilko. „Markus bringt die Karre nur aus dem Feldweg und lässt sie am Anfang der Ahornstraße stehen.“
    Töffel stieg aus. Er sagte etwas, doch seine leise Stimme trug die Bedeutung der Worte nicht zu uns herüber.
    „Ihr solltet euch einig werden“, flüsterte Leo. „Wir müssen hier verschwinden.“
    „Gut“, sagte Markus. Mehr nicht. Das gab den Ausschlag.
    „Jeder auf seinen Platz“, ordnete Hilko an. „Und seid leise“, fügte er überflüssigerweise hinzu.
    Glaubte ich bisher, Angst zu kennen – Angst vor schlechten Zeugnissen, Dunkelheit und dem Erwischtwerden bei verbotenen Dingen – so drang ich jetzt in eine neue Dimension dieses Gefühls vor. Mein Herz hämmerte, kein Muskel schien mir mehr zu gehorchen. Ich hockte unter dem Sims des zerschlagenen Fensters und zitterte. Alle Geräusche drangen wie aus weiter Ferne, der schmutzige Raum versank in nebelhafter Watte. Aus! Mein Körper kapitulierte.
    Leo riss mich hoch, seine Lippen formten einen lautlosen Befehl. Wie ein Betrunkener stolperte ich hinter ihm her. In den Keller. Graukittels joviales Lachen („Ja! Ho, ho! Jungs lieben solche Verstecke!“) verfolgte uns.
    Unsere gesamte Vorbereitung erwies sich als nutzlos. Markus stellte fest, dass er vergessen hatte, einen neuen Blitzlichtwürfel auf die Kamera zu stecken. Ich stand neben ihm, sah wie in Trance zu, wie er in seiner Jackentasche nach Ersatz suchte. Der abgebrannte Würfel entglitt seinen Händen, kullerte über den steinernen Boden und blieb in der Mitte des Ganges liegen. Jetzt lachte Töffel – ganz in der Nähe und so furchtbar glaubhaft. Er und dieser Eugen stiegen bereits die Treppe hinab. Wo war Leo? Befand er sich auf seinem Posten? Am Ende des Ganges, wo ihn die Dunkelheit vor Entdeckung schützen sollte? Was war, wenn der Mistkerl eine Taschenlampe dabei hatte? Niemand von uns hatte das bedacht.
    „Aua! Verdammte Kacke! Gibt’s hier kein Licht?“, fluchte Eugen. Ein Problem weniger. Markus nickte mir zu. Die Kamera war einsatzbereit. Töffel kam als Erster herein. Durch die Ritzen im Holz beobachtete ich, wie er unserem Versteck einen kurzen Seitenblick zuwarf. Ich bewunderte seinen Mut und sein Vertrauen. Hatte er wirklich die Gewissheit, dass wir zu unserem Wort standen und nicht in letzter Minute davongelaufen waren?
    Unter Eugens Schuhen knirschte es, Plastik wurde zerquetscht – der Blitzlichtwürfel. Der Mann grunzte kurz und trat in den Kellerraum. „Und? Was ist das hier?“, fragte er und dann nach einer kurzen Pause – süffisant – : „Was treibst du denn mit deinen Kameraden hier unten?“
    Meine Hände wurden feucht und kalt.
    „Sieh mal, Onkel Eugen!“ Töffel nannte ihn tatsächlich Onkel ! Und seine Stimme zitterte kein bißchen. Wir hörten das Geräusch klammer Seiten, die sich schwer umblättern ließen, weil die Feuchtigkeit sie aneinander pappte.
    „Oh!“, machte der Eugen und für einen kurzen Augenblick war er überrascht. Das war mehr, als er erwartet hatte.
    „Die sind alle nackt!“
    Das Zeichen! Töffel hatte den vereinbarten Satz gesprochen: DIE SIND ALLE NACKT! Wenn da drin alles glatt ging, musste der Hausmeister jetzt eines der Pornohefte in den Händen halten. Ich stieß Markus in die Seite. Er stürzte nach vorn, wich der geöffneten Tür aus und rief: „He!“ Das war das Signal für Töffel sich vom Blitzlicht abzuwenden. Ich stemmte meine Hände gegen das grobe Holz der Tür und sah durch die Ritzen ein grelles Licht. Wie von einer stillen Explosion. Mit einem leisen Fitzzz! verglühte der Würfel auf Markus´

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