Wir waren unsterblich (German Edition)
nahm einen Schluck und reichte die Flasche an Leo weiter. „Das ist besser als die dämlichen Äpfel.“
Leo betrachtete die Flasche einen Moment lang wie etwas Unanständiges. Hilko nickte ihm aufmunternd zu. Leo tat so, als würde er nippen. Ich konnte aber erkennen, dass er nur die Lippen benetzte.
„He, he!“, rief Markus aus dem Wipfel des Apfelbaums, wo er die letzten Minuten als freiwilliger Wachtposten verbracht hatte. Er landete einen Meter neben mir und nahm Leo die Flasche ab. Mit ihm plumpsten weitere Äpfel zu Boden. Die dunkle Flüssigkeit rann glucksend in seine Kehle. „Oha!“, machte er und reichte den Schnaps an mich weiter. Ich schnupperte an dem Inhalt. Das Zeug roch wie Medizin. Um nicht als Feigling dazustehen, probierte ich. So muss Hustensaft schmecken, wenn er schlecht geworden ist, dachte ich voller Ekel. Obendrein war der Likör noch lauwarm.
Markus kicherte, als er mein Gesicht sah. Hilko trank den Rest und packte die leere Flasche wieder ein.
„Wir haben lange genug gewartet“ Er wischte sich die langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Wir folgten ihm. Bisher hatten wir unser Zögern mit dem Warten auf Töffel rechtfertigen können.
Ich schob einen Ziegelstein vor die geöffnete Kellertür, damit sie nicht hinter uns ins Schloss fallen konnte und ließ Hilko den Vortritt. Ich konnte den Widerwillen gegen den Abstieg in seinen Augen lesen. Er hatte eine Taschenlampe dabei, schaltete sie ein und ging voran.
„Findet ihr nicht, dass es hier muffig ...äh... faulig riecht“, flüsterte Markus hinter mir. „Vielleicht liegt der Typ immer noch hier unten.“
„Hier riecht es immer faulig“, knurrte Leo. Er war der Letzte. Hilko ließ den Lichtstrahl der Lampe kurz über die Botschaft des Lichtlosen gleiten. Die Tür zum Kellerraum war angelehnt. Die neuen Riegel am Rahmen blitzten kurz auf, als Hilko die Lampe in seine linke Hand wechselte und die Tür langsam öffnete.
Ich spähte über seine Schulter. Ich spürte Leos Atem an meiner Wange, dann drängte uns Markus zur Seite. „Er ist weg“, stellte er fest. „Immerhin.“
Hilko leuchtete den Lehmboden ab. „Dieser Charlie hat keine Spuren hinterlassen. Möchte nur wissen, wo er den Hausmeister hingebracht hat.“
„Es gibt noch ein anderes Problem“, sagte ich. Hilko drehte sich zu mir um. Ich deutete zur Tür. „Die Riegel ... Man sieht, dass sie neu sind. Das ist doch verdächtig. Die müssen wir wieder entfernen. Wenn Töffels Tante eine Vermisstenanzeige aufgibt, wird die Polizei vielleicht auf dem Bauernhof suchen.“
Leo schob einen der beiden Riegel prüfend hin und her.
Ich tastete mich zur Kellertreppe. Oben angekommen, atmete ich tief durch. Auf einer Werkbank im ehemaligen Stall lagen Schraubenzieher, Zangen und Sägen herum. Direkt darüber kroch Farn durch eines der schmalen Fenster. Das Glas war wie überall in den Gebäuden zersplittert. Die Triebe klammerten sich an die Innenwand. Sie waren ganz klein und bleich. Ich steckte einen Schraubenzieher in die Hosentasche und wollte gerade nach einer rostigen Zange greifen, als ich Geräusche hörte. Über mir befand sich der riesige Heuboden. Dort raschelte es leise. Ich vergaß für einige Sekunden das Atmen und starrte zur Decke empor. Eines der eckigen Löcher, durch die man das Heu in den Stall fallen lassen konnte, war nur einen Meter von mir entfernt. Ich machte einen Schritt und befand mich jetzt genau unter der Öffnung. Das Rascheln wiederholte sich. Jemand bewegte sich dort oben im Heu. Der Bauer und seine Gehilfen konnten es nicht sein. Die würden viel mehr Lärm machen. Ein paar trockene Halme rieselten herab. Ich schlich zur Treppe, die zum Heuboden führte. Ich war froh, dass ich mich heute für Turnschuhe anstelle der schweren Stiefel entschieden hatte. Die weichen Sohlen verursachten kein Geräusch. Als ich auf halber Höhe innehielt und lauschte, spähte plötzlich ein blasses Gesicht auf mich herab. Ich hörte ein erschrockenes „Iih!“ und das Gesicht mit den blonden Haarfransen verschwand. Ich hastete die letzten Stufen hinauf.
„Was soll das?“, rief ich dem Heu zu, denn der Flüchtende hatte sich hier irgendwo verborgen.
„Ritsch?“, hörte ich eine hohe Stimme.
Unser Versteck aus Strohballen stand noch immer. Der Bauer hatte es nicht entdeckt. In der Mauer ruckelte einer der Ballen hin und her, wurde langsam nach vorn geschoben und fiel auf den Boden. Töffel erschien in der Öffnung.
„Warst du das eben auf der
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