Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir waren unsterblich (German Edition)

Wir waren unsterblich (German Edition)

Titel: Wir waren unsterblich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
Vom Netzwerk:
klein wenig. Charlie legte mit gespieltem Erstaunen den Kopf schief. „Ach?“ Er kam auf Leo zu, drängte ihn aus dem Eingang und zog die Wohnungstür hinter sich zu.
    „Grundmann war krank ... Diabetiker ... daran ist er gestorben ... wir sind also unschuldig. Damit ist die Sache erledigt.“ Die Worte drangen immer schneller aus Leo heraus. „Das ... das musst du doch einsehen.“
    „Seid ihr irre?“, knurrte Charlie mit zusammengepressten Zähnen. Er schüttelte den Kopf und schien in die Wohnung zurückkehren zu wollen. Überraschend machte er eine halbe Drehung. Sein Arm schoss vor wie eine zustoßende Schlange. Aus kurzer Distanz wuchtete er seine Faust in Leos Magen. Leo gab einen Laut von sich, als müsste er sich übergeben und taumelte dann mit vorgebeugten Oberkörper zur Seite. Markus stieß zischend den Atem aus und wollte zum Angriff übergehen. „He!“, rief Charlie und deutete mit dem Finger auf ihn. Hilko stellte sich zwischen die beiden. „Leo hat Recht.“ Seine Augen funkelten zornig. Er war genauso wütend wie Markus, hatte sich aber wie immer viel besser unter Kontrolle. „Es war ein Unfall.“
    Charlie ignorierte ihn, schob in zur Seite und warf einen Blick ins obere Treppenhaus. „Macht hier bloß kein Theater! Und erzählt mir keine Scheiße! So oder so: Ihr habt den Kerl umgebracht. Wenn das rauskommt, ist eure Zukunft schon vorbei.“ Er setzte ein überlegenes Lächeln auf, als sei er auf seine Formulierung ganz besonders stolz. Leo röchelte und klam-merte sich an mir fest.
    „Ich habe euch einen wirklich großen Gefallen getan. Ich habe eure Leiche beseitigt. Weil ihr so unverschämt undankbar seid, will ich morgen zwanzig Mark sehen.“
    Hilko öffnete überrascht den Mund, um etwas zu erwidern, aber Charlie schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Töffel brach zusammen, als wir von Charlies Forderung erzählten. Seine Augen drehten sich nach oben, so dass nur das Weiße zu sehen war. Markus stürzte geistesgegenwärtig nach vorn und fing ihn auf. Schlaff hing Töffels schmächtiger Körper in seinen Armen. Hatte Töffel am Morgen noch Hoffnung geschöpft, das sich alles wieder zum Guten wenden würde, verkraftete er den neuen Rückschlag einfach nicht. Er sah sich als Zentrum und Auslöser der ganzen Sache. Wenn er nach Hause kam, war er der Hektik seiner Tante ausgeliefert, die Grundmann auf eigene Faust ausfindig zu machen versuchte und pausenlos dessen Bekannte und Verwandte anrief.
    Markus legte Töffel in den Schatten eines Baums. Ich geriet in Panik, als ich ihn so da liegen sah. Er erinnerte mich mit einem Mal an den toten Grundmann im Keller. Ich wollte Hilfe holen, aber Hilko fühlte Töffels Puls. Er blieb dabei ganz ruhig. Ein paar Sekunden später flatterten Töffels Augenlider, dann sah er uns mit dem Ausdruck größten Erstaunens an. Er versuchte aufzustehen, aber Hilko hielt ihn mit sanftem Druck zurück. Töffel war völlig verwirrt. Wir setzten uns zu ihm ins Gras und jeder hing schweigend seinen Gedanken nach. Töffel holte seine zerknitterte Schachtel Reval hervor und fummelte umständlich eine Zigarette hervor. Sie war in der Mitte geknickt. Er bemerkte es nicht, denn er vergaß sie anzustecken. Das vordere Ende baumelte vor seinem schmalen Mund hin und her.
    „Ich habe dreihundert Mark gespart“, sagte Hilko nach einer Weile. „Wieviel habt ihr?“
    Ich dachte an das Geld in dem kleinen Plastiktresor, das ich dort für ein Mofa aufbewahrte. „Nicht ganz zweihundert.“
    „Knapp hundert“, sagte Markus, dann fiel ihm etwas ein und er schüttelte den Kopf. „Nee, stimmt nicht. Höchstens noch neunzig. Ich hab meinem Bruder letzte Woche eine Status Quo-Platte abgekauft.“
    „Null!“ Leo stand wütend auf und kehrte das Innere seiner Hosentasche nach außen. Nur ein paar Krümel fielen dabei heraus.
    „Das macht nichts“, sagte Hilko. „Wir müssen zusammenhalten und das durchstehen.“
    „Und wie lange? Wie lange soll euer Geld reichen?“, fragte Leo. Er wurde immer wütender. Er war von Charlie geschlagen und gedemütigt worden, sein Versuch, mit dem Mistkerl zu reden, war fehlgeschlagen und er hasste es, auf unser Geld angewiesen zu sein.
    Hilko gab keine Antwort.
    „Vielleicht haut er ja irgendwann ab“, überlegte Markus laut. „Vielleicht in eine andere Stadt. Oder landet im Knast. Das würde mich nicht wundern bei dem Arschloch.“
    „Glaube ich nicht“, flüsterte Töffel so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte.

    Noch am

Weitere Kostenlose Bücher