Wir waren unsterblich (German Edition)
Treppe?“ Er sah sich unbehaglich um. „Du sahst so anders aus, ich habe dich nicht erkannt.“
„Da unten ist es ziemlich düster“, erwiderte ich. Töffel zupfte sich Stroh aus den Haaren. Er schien noch immer ziemlich verwirrt zu sein.
„Die anderen sind im Keller.“ Ich deutete zur Treppe. „Grundmann ist weg.“
Töffel hielt den Blick auf seine Sandalen gerichtet. „Wir haben ihn doch umgebracht.“
„Was?“, fragte ich überrascht. Ich spürte, dass Töffel seine ganze Willenskraft darauf konzentrierte, nicht loszuheulen. Er schluckte ein paar Mal, ehe er weitersprach. „Meine Tante ... sie war vorhin in seiner Wohnung.“
„Und?“, bohrte ich.
„Sie sagte, dass sie sich große Sorgen um Eugen macht. Er hat sein Spritzbesteck zurückgelassen.“ Töffel seufzte tief.
Ich verstand nichts. Spritzbesteck? Sollte der Hausmeister etwa drogenabhängig gewesen sein?
„Er war zuckerkrank“, erklärte Töffel. „Diabetiker, verstehst du? Meine Tante meinte, dass er sich mehrmals am Tag ...“ Töffel war das Wort entfallen. Sein Gesicht legte sich vor Anstrengung in tiefe Falten. Er sah jetzt fast wie ein junger Dackel aus. „Insulin!“, fiel ihm weiter ein. „Ohne das Zeug stirbt er.“
Ich nickte mit offenem Mund. Eine meiner Tanten – eine dicke Frau mit ständig hochrotem Gesicht – musste wegen dieser Krankheit Tabletten nehmen und sollte eigentlich die Finger von Kuchen und solchen Dingen lassen. Was sie aber nie tat. Immer wenn sie es zu sehr übertrieb und haufenweise Sahne auf ihre Torte schaufelte, sagte ihr Mann, dass die Tabletten wohl irgendwann nicht mehr reichen würden, dann müssten die Spritzen ran.
„Das ist nicht unsere Schuld! Das konnten wir nicht wissen! Warum hat er uns das nicht gesagt?“, sagte ich vehementer, als ich es beabsichtigt hatte. Töffel zuckte hilflos mit der Schulter.
„Das ist doch prima!“, entfuhr es Markus, nachdem er und die anderen Töffels Bericht gelauscht hatten. Töffel schien seinen Ohren nicht zu trauen. „Aber ...“, stammelte er überrascht. „Durch uns konnte er nicht an sein Insulin.“
Markus wischte den Einwand mit einer schnellen Handbewegung beiseite. „Für seine Krankheit können wir nichts.“
Leo machte einen erleichterten Eindruck. „Und ich dachte, ich hätte ihn am Ende doch umgebracht. Mit dem Balken.“
„Selbst dann wäre es Notwehr. Der wollte uns killen.“ Markus betastete den verkrusteten Riss an seinem Ohrläppchen.
Ich hatte die Riegel abgeschraubt und ließ sie in meiner Jackentasche verschwinden. Ich rieb meine Hände über den Lehmboden, spuckte in sie hinein und beschmierte dann die kleinen Bohrlöcher in Rahmen und Tür mit einem Schmutzfilm. Danach waren sie in dem dunklen Holz kaum noch zu sehen. Das war in Ordnung, aber etwas anderes war ganz und gar nicht in Ordnung. „Grundmanns Kadett“, sagte ich. Alle sahen mich an. „Die Karre steht einen knappen Kilometer von seiner Wohnung in einer Seitenstraße. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sie entdeckt.“
„Der Wagen bleibt, wo er ist“, sagte Hilko. „Genau, wie es von Anfang an geplant war. Selbst wenn er gefunden wird, deutet nichts auf uns.“
„Wir sollten Charlie erzählen, wie es wirklich war. Jetzt kann er uns doch nicht mehr erpressen“, sprudelte es plötzlich aus Leo heraus.
„Das glaubt ihr doch wohl selbst nicht“, sagte Hilko. „Es ist dem Kerl völlig egal, wie Grundmann krepiert ist. Er will uns ausquetschen. Wir sind Charlies Bank. Seine Garantie, ohne Arbeit durchs Leben zu kommen. Wenn wir später Geld verdienen, werden wir es auch immer für Charlie mitverdienen.“
Töffel nickte gedankenverloren. Er sprach leise und bitter, aber mit klarer Stimme. „Hilko hat Recht. Charlie ist böse.“ Töffel tat so, als wäre sein Zeigefinger ein Pistolenlauf. „Er hat Ritsch die Knarre gegen die Stirn gedrückt. Und er hat Markus geschlagen. Mit diesem Ding .“
Leo stellte sich stur. „Ich werde trotzdem mit ihm reden. Wenn wir ihm morgen das Geld bringen sollen.“
Am nächsten Morgen kam Töffel erst zur dritten Stunde in den Unterricht. Töffel hastete zum Deutschlehrer und gab ihm einen Zettel. „Meine Entschuldigung“, hörten wir ihn sagen. Sein Atem rasselte, als er sich auf seinen Platz setzte. „Wo warst du?“, fragte Leo halblaut. Der Lehrer hob die Augenbrauen und blickte zu uns herüber. „Pssst!“, zischelte er.
„Bei der Polizei“, flüsterte Töffel. „Mit meiner Tante.“
Mir
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