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Wir wollen Freiheit

Wir wollen Freiheit

Titel: Wir wollen Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gerlach
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sie auch weiter mit Souad AlKawaga aus Bahrain und Asmaa Alghoul aus Gaza in Kontakt.
    Noch größer ist der Kreis von Jugendlichen, die indirekt von diesen Maßnahmen profitiert haben: »Ich habe nie an so einem Workshop einer ausländischen Stiftung teilgenommen, aber meine Freunde aus den anderen Jugendbewegungen haben uns davon erzählt«, berichtet Ahmed Akil vom Jugendverband der
Muslimbruderschaft
. Die Mitgliedschaft in seiner Organisation ist quasi ein Ausschlusskriterium für die Einladung zu Veranstaltungen westlicher Stiftungen. »Wir haben natürlich die Filme über den Sturz des Diktators von Belgrad angeschaut und noch einige andere. Die kursierten ja hier in der Szene«, sagt er. Natürlich haben auch die Jugendlichen der
Muslimbruderschaft
sich Gedanken über Strategien gemacht, wie sich das Regime Mubarak stürzen lassen könnte. Ohne Gene Sharp gelesen zu haben, folgten sie dabei der Idee eines friedlichen Kampfes und dass man eine Bewegung langsam aufbauen muss.
     
    Es war also auch Einfluss aus dem Ausland, der zum Wunder beigetragen hat. Es wurden Aktionsformen von Protestbewegungen in anderen Ländern übernommen und ägyptisiert. Wichtig war dabei das Prinzip der Führerlosigkeit und der absoluten Gewaltfreiheit – und dass die Parole: »Salmia   – Friedlich« selbst bis in die Gassen der Armenviertel durchdrang.
    |103| Das Rezept der Revolution
    Es ist wohl das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die zum Wunder des 25.   Januars geführt haben. Es war angestauter Frust, der zum Ausbruch kam: Ärger über schlechte Zukunftsaussichten, Korruption und allgemeine Hoffnungslosigkeit. Ohne gezielte Planung, Mobilisierung und die Ideen des »gewaltfreien Kampfes« hätte es aber nicht geklappt und auch der Zusammenschluss der Aktivisten über die ideologischen Grenzen hinweg war ganz entscheidend. Facebook und Twitter waren tatsächlich von einiger Bedeutung, allerdings eher als Mittel zum Zweck. Auch das Fernsehen spielt eine Rolle: Den arabischen Frühling hätte es ohne
Al Dschasira
so nicht gegeben. Das beantwortet auch die Frage, wieso Qatar das beinahe einzige Land der Region ist, in dem bisher zumindest nicht demonstriert wird. Das liegt einerseits sicherlich an der Begeisterung der Jugend darüber, dass ihr Land den Zuschlag für die Fußball WM 2022 bekommen hat, und daran, dass Qatar das Land mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt ist. Es liegt aber auch daran, dass alle Einwohner Qatars wissen, dass
Al Dschasira
niemals über eine Anti-Emir Demo in Doha berichten würde.

|104| 3. Der Arabische Frühling
    E in wichtiger Faktor, der zweifellos die Revolution befördert hat, fehlt im vorherigen Kapitel: Der Einfluss Tunesiens. So heißt es nicht zu Unrecht in vielen Agenturmeldungen und Zeitungsberichten: »Die Proteste, die durch den Sturz des tunesischen Präsidenten inspiriert waren   …« In den vergangenen Jahrzehnten war es in vielen arabischen Ländern üblich, dass Präsidenten erst durch ihren Tod aus dem Amt scheiden. Dies hat nicht zuletzt den Vorteil, dass sie keine Rechenschaft mehr ablegen müssen. Als aber Zine Abdine Ben Ali am 14.   Januar 2011 sein Flugzeug bestieg und aus Tunesien floh, zeigte sich, dass dies nicht immer so weitergehen muss. Es ging eine Welle der Hoffnung durch die Region: Was die können, können wir schon lange!
    Hat sich Ägypten bei Tunesien angesteckt?
    Die Revolution von Tunesien fängt damit an, dass Mohammed Bouazizi genug hat: Am 17.   Dezember um 11.30   Uhr vormittags übergießt sich der 2 6-jährige Obsthändler aus Sidi Bouzid mit Benzin und zündet sich an. Dabei war an diesem Vormittag eigentlich nichts Besonderes passiert: Schließlich wurde er – so erzählen es seine Freunde – fast jeden Tag von der Polizei drangsaliert. An diesem Morgen ist es eine Polizistin, die es auf ihn und seinen illegalen Obststand abgesehen hat. Sie beleidigt ihn und nimmt ihm seine Waage ab. Mohammed Bouazizi will sich beschweren und geht zum Sitz des Gouverneurs. Dort lässt man ihn aber nicht vor. Der Zuständige sei in einer Besprechung. Da wird |105| es Mohammed Bouazizi – wie gesagt – zu viel. Er zündet sich an und wird kurz darauf mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht. Am Nachmittag ziehen Mohammed Bouazizis Freunde und Verwandte zum Gouverneurssitz. Ein Verwandter filmt diesen friedlichen Protestzug, stellt das Video auf Facebook und noch am gleichen Abend läuft es bei
Al Dschasira
. Am nächsten Tag wird

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