Wir wollen Freiheit
wandern in die Töpfe. Am Abend kommen Schriftsteller, Musiker und Dichter und unterhalten die Menschen.
»Gastfreundschaft ist ein wichtiges Element unserer Kultur«, sagt Kholood Samir. Sie sitzt auf der Lehne eines der Sofas: »Wir wollen, dass auch Bahrainis herkommen, die sich ansonsten nicht an den Protesten beteiligen würden.« Die 2 7-jährige Investmentbankerin ist eine der wenigen Frauen hier, die kein Kopftuch trägt. Stattdessen hat sie enge Jeans und ein kurzärmeliges Vintage-Shirt an. »Dies ist das wirkliche Bahrain. Es ist nicht wichtig, ob man Schiit oder Sunnit ist, ob Mann oder Frau und religiös oder nicht: Wir sind hier, weil wir unser Land lieben«, sagt sie. »Es geht dabei nicht um höhere Löhne, zumindest nicht für uns«, ergänzt Hussein Arabi. Der 2 8-Jährige ist mit seiner Frau gekommen, um seinen freien Tag hier zu verbringen. Neben ihnen, ebenfalls auf einem Klappstuhl, sitzt ein Kindermädchen aus den Philippinen und kümmert sich um die beiden Kleinkinder. »Wir haben beide gute Jobs, Gott sei Dank, arbeiten in Banken. Aber es ist doch nicht einzusehen, dass es in einem Land, das so reich ist wie Bahrain, Arme gibt. Es ist auch nicht einzusehen, dass die meisten dieser Armen Schiiten sind!«, sagt er. »Die Regierung sagt, dies sei ein Konflikt |113| der Schiiten gegen die Sunniten und dass dieser Protest vom Iran finanziert wird. Dies ist genauso eine Propagandalüge wie die Behauptung, dass der Aufstand von Kairo von der
Muslimbruderschaft
organisiert wurde. Die Regierungen machen das, um dem Westen einen Schreck einzujagen. Immerhin haben wir sehr gute Beziehungen zu den USA und hier ist der Heimathafen der 5. Flotte der U S-Marine .«
Im Schatten einer Plane sitzt eine Gruppe Frauen ganz in Schwarz. »Wir kommen aus einem Dorf außerhalb von Manama. Kommen Sie uns einmal besuchen, dann sehen Sie, was Armut ist!«, sagt eine von ihnen. Kholood Hussein heißt sie und ist 29 Jahre alt. Die Fahrt zu ihr führt an den glitzernden Hochhäusern Manamas vorbei. In den Vororten der Stadt stehen Villen hinter hohen Mauern, dann werden die Häuser kleiner.
»Ist es nicht eine Schande, wie ich wohne?«, fragt sie und öffnet die Tür. Die Fassade des Hauses ist rissig und überall bröckelt es. Innen ist es zwar eng, aber gemütlich. Bunte Teppiche liegen auf dem Boden, ein Flachbildschirm-TV hängt an der Wand. In anderen Ländern der Region würden Menschen, die so wohnen, sich nicht arm fühlen. Aber wir sind in Bahrain und es kommt immer auf den Vergleich an: »Es ist ja nicht so, dass es keine besseren Wohnungen gäbe. Die Regierung vergibt sie, aber nicht an uns, sondern an die Neu-Bahrainis«, sagt Kholood Hussein. Sie hat inzwischen das schwarze Gewand abgelegt und holt Süßigkeiten auf einem Tablett aus der Küche.
Die »Neu-Bahrainis« sind Sunniten, die die Regierung gezielt aus anderen Ländern anwirbt, um den Anteil der Sunniten an der Bevölkerung des Inselstaates zu erhöhen. Die Neuankömmlinge werden blitz-eingebürgert und dann in der Polizei und Armee eingesetzt. In den Sicherheitskräften arbeiten so gut wie keine Schiiten. »Sie halten uns nicht für loyal«, sagt Kholoods Ehemann, ein Taxifahrer. Nicht nur, |114| dass die Neuankömmlinge die Wohnungen und Jobs bekommen, von denen viele Schiiten, aber auch arme Sunniten träumen: »Sie machen auch eine Menge Probleme. Es sieht oft so aus, als gäbe es Streit zwischen schiitischen und sunnitischen Dörfern. In Wirklichkeit machen die jungen Neu-Bahrainis Ärger und fangen Schlägereien an. Mit Konfessionsstreit hat das nichts zu tun«, so Kholood Hussein.
Am 10. März bekomme ich einen Anruf von Kholood Samir, der coolen Investmentbankerin: »Ich wollte nur Bescheid geben: Morgen wollen wir zum Präsidentenpalast ziehen und wenn Sie kommen wollen …«, sagt sie. Als ich ihr sage, dass ich gar nicht mehr in Manama, sondern längst zurück in Kairo bin, muss sie schlucken: »Oh, das ist ja schrecklich. Wir gehen davon aus, dass es morgen zu Gewalt kommen wird und jetzt stellen wir fest, dass alle internationalen Journalisten abgereist sind!«, sagt sie. Muammar al Gadhafi hat den Jugendlichen vom Perlenplatz die Show gestohlen. Statt den Bahrainis beim Teetrinken zuzuschauen, ist der Tross der Journalisten weitergezogen: Es ist Krieg in Libyen. Und dann – nur wenige Stunden, bevor sich die Demonstranten von Manama auf den Weg zum Königspalast machen – bebt in Japan die Erde. Es schaut keiner hin,
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