Wir wollen Freiheit
der Ausnahmezustand aufgehoben und die Regierung eröffnet den Dialog mit der Opposition. |117| Allerdings ist kaum noch jemand auf freiem Fuß, mit dem die Regierung ernsthaft über Reformen verhandeln könnte.
Jemen
Im Jemen beginnt die Revolution fast zeitgleich mit dem Aufstand von Ägypten,und dass es losgeht, das ist vor allem Tawakul Karmans Verdienst. Die 3 2-jährige Bloggerin, Journalistin und Mutter von drei Kindern, hat schon monatelang jeden Dienstag gegen den Präsidenten protestiert. Oft steht die Frau im schwarzen Gewand und mit dem bunten Kopftuch fast allein mit ihrem Transparent da. Sie hat die Organisation »Journalistinnen ohne Ketten« gegründet und gehört zur islamischen Oppositionspartei »Islah – Reform«. Mitte Januar wird sie verhaftet. Es kommt zu kleinen Demonstrationen. Eigentlich geht es um die schlechte Wirtschaftslage und die geplante Verfassungsreform – Langzeitpräsident Ali Abdullah Salah will sich so den Weg zu einer weiteren Amtszeit bahnen –, doch die Demonstranten tragen auch das Bild von Tawakul Karman und fordern ihre Freilassung. Allein dies ist unglaublich: Im Jemen, wo viele Männer nicht wollen, dass ihre Frauen, Töchter und Schwestern ihre Gesichter öffentlich zeigen und deswegen der Gesichtsschleier weitverbreitet ist, versammeln sich Tausende unter dem Foto einer Frau. Noch erstaunlicher ist es, dass sie Politikerin der
Islah
-Partei ist, welche
Muslimbruderschaft, Salafisten
und den auch nicht gerade liberalen Stamm der Al Ahmar vereint. Tawakul Karman hat früher auch ihr Gesicht verhüllt. Doch das passe nicht zu ihrer Rolle als Aktivistin: »Die Menschen müssen mich sehen«, sagte sie einmal. Seitdem trägt sie bunte Kopftücher. Am 24. Januar ist sie wieder frei und ruft für den 27. Januar zu einer großen Demo auf: Rund 16 000 Demonstranten ziehen durch Sanaa. Jetzt rufen sie schon: »Das Volk will das System stürzen!«
|118| Ursprünglich haben die Demonstranten von Sanaa auch einen Tahrir-Platz, auf dem sie sich versammeln. Am 3. Februar, einen Tag nach dem Kamel-Angriff in Kairo stürmen Pro-Saleh-Truppen den Tahrir-Platz in Sanaa und besetzen ihn fortan. Die Demonstranten weichen auf den Platz vor der Universität aus und benennen ihn in »Midan al Taghir – Platz der Veränderung« um. Am 11. Februar, als auch hier der Sturz von Hosni Mubarak groß gefeiert wird, greifen wieder Pro-Regierungstruppen an. Auch am nächsten Tag kommt es zu heftigen Schlachten zwischen den Demonstranten und der
Baltagia.
Der Begriff, der ursprünglich in Ägypten geprägt wurde, macht jetzt auch in den anderen Ländern die Runde.
Das Besondere an der Revolution im Jemen ist, dass die Proteste auch hier so weiblich sind. Tawakul Karman ist nur eine von vielen Frauen, die sich an den Demonstrationen beteiligen. In einem konservativen Land wie dem Jemen bedeutet die Teilnahme an Demos für Frauen einen enorm großen Schritt. Bemerkenswert ist auch, dass es gelingt, den Protest gewaltfrei zu halten. Schließlich ist der Jemen ein Land voller Waffen. Diese Menschen davon abzuhalten, zurückzuschießen, wenn sie von der Polizei beschossen werden, ist eine unglaubliche Leistung. Auch im Jemen laufen zahlreiche Militärs zu den Demonstranten über. Anders als in Libyen lassen aber auch sie ihre Waffen zu Hause.
Zeitgleich mit dem Amtskollegen in Manama lässt auch Ali Abdullah Saleh am 12. März das Feuer auf die Demonstranten eröffnen. Eine Woche später sterben 40 Menschen, als die Demonstranten von bewaffneten Trupps in Zivil angegriffen werden. Hierbei werden auch Waffen made in USA eingesetzt. Saleh wurde vom Westen immer gut ausgestattet, schließlich gilt der Jemen als Rückzugsort von Al Kaida und die jemenitische Regierung hat keine Mühe gescheut, die Angst vor den Terroristen zu schüren und sich die Unterstützung des Westens zu sichern.
|119| Allerdings gelingt es trotz der guten Ausrüstung nicht, den Aufstand niederzuschlagen. Anfang April beginnen Diplomaten aus den GC C-Staaten mit Saleh über einen Abtrittsplan zu verhandeln. Am 23. April stimmt er zu, innerhalb von 30 Tagen an einen Stellvertreter zu übergeben. Ihm wird dafür Straffreiheit zugesichert. Allerdings unterschreibt er das Abkommen nicht. Dreimal lässt Saleh Unterzeichnungstermine platzen. Am 22. Mai schließlich lässt er das Wohngebiet der Al Ahmar beschießen und natürlich wird zurückgeschossen. Endlich scheint er einen Ausweg
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