Wir wollen Freiheit
als die Polizei in Bahrain schießt, und auch das, was in den folgenden Tagen passiert, ist eher eine Randnotiz in den Nachrichtensendungen: Der Golfkooperationsrat schickt am 14. März Truppen. 1000 Soldaten mit schwerem Gerät kommen über die Brücke aus Saudi Arabien. 500 Polizisten stellt die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate. In wenigen Stunden räumen die Sicherheitskräfte die Demonstranten vom Perlenplatz weg. Das Denkmal wird abgerissen. Aktivisten, Blogger, Oppositionspolitiker werden verhaftet. Doch die Regierung hört nicht auf: In schiitischen Dörfern zerstören maskierte Sicherheitskräfte Häuser und sogar Moscheen. Die Regierung macht auch Druck auf private Unternehmen: |115| Mehr als 1000 Angestellte, die mit dem Aufstand sympathisiert haben, verlieren ihre Jobs. Mehrere Aktivisten werden vom Militärgericht zum Tode verurteilt und auch Ärzten und Krankenschwestern, die verletzte Demonstranten behandelt haben, und selbst den Dichtern, die auf dem Perlenplatz vorgetragen haben, wird der Prozess gemacht.
Der Grund, weshalb die Regierung von Bahrain mit Unterstützung der anderen Golfländer so hart gegen den Protest vorgeht, ist wiederum die Angst vor Ansteckung: Schon nach den ersten größeren Demonstrationen in Manama beginnt es im Oman, in Kuwait und auch im Osten Saudi Arabiens zu köcheln. »Natürlich sind wir im Kontakt und aus Saudi Arabien waren auch Aktivisten hier bei uns und haben sich umgeschaut«, erzählte Talib Al Ghazal in den ersten Tagen des Protests am Perlenplatz. Angst vor Ansteckung erklärt auch die Zurückhaltung des T V-Senders
Al Dschasira
. Der Aufstand von Manama kommt im arabischen Kanal des Senders anfangs nur als Kurznachricht vor und nie fehlt der Hinweis auf den drohenden iranischen Einfluss. Erst als dem Sender deswegen ein Imageverlust droht – in verschiedenen Ländern verfassen Aktivisten Erklärungen gegen die parteiische Berichterstattung –, spendiert der Sender dem Aufstand von Bahrain einige Extra-Sendeminuten. Selten zeigt sich so deutlich, dass
Al Dschasira
nicht nur Nachrichten verbreitet, sondern vor allem auch ein außenpolitisches Werkzeug der Regierung von Qatar ist. 1996 wurde der Sender vom Emir gegründet und wird bis heute weitgehend aus der Staatskasse bezahlt. Revolutionen in Staaten, die mit Qatar in Konkurrenz stehen – wie Ägypten etwa – zu päppeln, ist eine Sache. Freundliche Begleitung der Ereignisse im direkten Nachbarland, nein, bei aller Liebe zur Freiheit, das geht dem Emir von Qatar dann doch zu weit.
Als Sofortmaßnahme zur Revolteneindämmung beschließt der Golfkooperationsrat (GCC) eine Art Marschall-Plan, |116| wie Zeitungen es nennen, um der Jugend der vergleichsweise armen Länder Bahrain und Oman zu helfen. Zunächst scheinen die anderen Golf-Herrscher auch die Bemühungen von Kronprinz Salman zu begrüßen: Er will den Konflikt durch Dialog und gezielte Reformen lösen. Dieser Weg scheint möglich, denn viele Demonstranten würden König Hamad bin Isa al Khalifa gern behalten und sehen auch seinen Sohn als geeigneten Nachfolger. Wenn sie rufen: »Das Volk will das System stürzen«, dann wollen sie vor allem Premierminister Khalifa bin Salman al Khalifa loswerden, der schon seit 1971 regiert. Vermutlich wäre es Prinz Salman und seinem Vater nicht mal unrecht, sich von dem mächtigen Onkel zu trennen, schließlich hat er ihnen schon häufiger in die Regierungsgeschäfte gefunkt. Doch der Premier hat Freunde. So kommt es zum Beschluss des GCC, Bahrains Regierung militärische Verstärkung zu schicken und den Aufstand niederzuschlagen, brutal und vom Westen weitgehend unkommentiert. Immerhin wird das Formel- 1-Rennen in Manama abgesagt, weil sich die Rennfahrer weigern, in einem solchen Land anzutreten.
Die Bahrainische Regierung tut dann das, was arabische Diktaturen in den letzten Jahrzehnten oft getan haben, wenn es Proteste gab: Sie päppelt radikale islamische Gruppen. So ist die Zerschlagung der Opposition die große Stunde des Abdellativ Al Mahmood. Der Prediger und Universitätsprofessor ist ein Salafist und sunnitischer Nationalist. Er beschwört in seinen Predigten die iranische Gefahr und empfiehlt zudem äußerstes Misstrauen, was die Interessen der USA in Bahrain angeht. Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2010 fiel er durch, ein halbes Jahr später beehrt ihn sogar der König mit einer Audienz. Zum Dank für die Unterstützung gegen die Demokratiebewegung.
Zum 1. Juni wird
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