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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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ein Lebensraum
    Nicht nur die verwirrende postideologische Einstellung, das abweichende Politikverständnis und die Kleinteiligkeit der Forderungen irritieren die politische Elterngeneration, auch über die Bedeutung des Internets sind sie sich nicht ganz im Klaren. Natürlich, unsere Eltern nutzen das Netz inzwischen auch recht selbstverständlich. Sie nutzen es aber völlig anders als wir.
    Wie weit das Verständnis auseinandergeht, wurde zum Beispiel in einer legendären Anne-Will-Sendung kurz nach der Berlin-Wahl deutlich, als der frisch gewählte Piratenabgeordnete Christopher Lauer über die Aussage der grünen Kämpferin Bärbel Höhn, sie «gucke» auch Internet, in wieherndes Gelächter ausbrach. Internet zu «gucken», als wäre es eine Fernsehsendung, das wirkt auf die junge Generation einfach zu ulkig.
    Dahinter steckt eine tiefe Generationenkluft, die dafür sorgt, dass viele Debatten um «das Internet» von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Wenn die Älteren über das Internet reden, dann klingt das oft so: «Im Internet» verrohen die Sitten, «im Internet» kann man ungehindert andere mobben, «im Internet» legen sich Menschen, die in der «realen Welt» Loser sind, coole «virtuelle Identitäten» zu, um endlich auch einmal den großen Macker zu markieren.
    Für unsere Eltern ist das Internet trotz aller geheuchelten Sachkenntnis eine fremde Welt. Eine Welt, in der sie ihre Kinder nicht mehr wiedererkennen, ihr Verhalten nicht kontrollierbar und noch weniger logisch nachvollziehbar ist. Sie fürchten sich vor den vielen schrecklichen Dingen, die dort passieren und von denen sie in den Medien hören: Facebook-Partys, Cybermobbing, Do-it-yourself-Pornos, Ballerspiele, Internetsucht, Sexchats, all diese bösen Sachen, die – glaubt man den vielen Berufs-Kulturpessimisten – irgendwann in naher Zukunft zum Untergang des Abendlandes führen werden. Und sie wundern sich darüber, dass ihre Kinder tatsächlich denken, sie könnten «im Internet» mit jemandem befreundet sein.
    Die Alten kapieren nicht, warum es ausgerechnet «dieses Internet» ist, das uns auf die Straße bringt. Warum auf einmal schon bei Kindern nicht mehr Tierschutz angesagt ist, sondern der Widerstand gegen Netzzensur, warum wir nicht mehr gegen Kriege demonstrieren sondern gegen das Urheberrechtsabkommen Acta. Und da die Alten sich für verständnisvoller, aufgeklärter und geistig frischer halten als ihre eigenen Eltern, fällt es ihnen noch schwerer als diesen, das Engagement der Jungen als politisch anzuerkennen und die wahre Bedeutung des Netzes für diese Generation zu durchschauen.
    Stattdessen verfallen sie in stumpfe Argumentationsmuster: Zum Beispiel, dass man den Aufstieg der Piraten mitnichten mit dem der Grünen vergleichen könne, denn schließlich seien die Grünen eine «politische Jahrhundertaufgabe» angegangen, nämlich den Umweltschutz auf die Agenda der Regierung zu bringen, und «das Internet» sei doch kaum mehr als eine technologische Spielwiese für Datenräuber, wo Menschen verlernen, eigenständig zu denken, und sich stattdessen vertrauensvoll in die Hände skrupelloser Großkonzerne begeben, sich deren Profitinteressen ausliefern. Sie verstehen nicht, dass ihre Kinder sorglos private Nachrichten über Dienste wie Facebook oder Twitter austauschen, dass sie Fotos von sich für alle Welt sichtbar hochladen und irgendwelchen US -Unternehmen alles über ihren Aufenthaltsort, ihre Hobbys und die nächste Party verraten. Und Mark Zuckerberg reibt sich die Hände, rufen die Alten, seht ihr das denn nicht! Sie fürchten sich vor Google, weil sie nicht wissen, was die dort mit den Informationen machen, mit denen wir sie täglich füttern. Und das alles soll jetzt so wichtig sein wie damals die Atomkraftwerke?
    Die Wahrheit ist schlicht: Weil die Alten selbst keine Ahnung vom Internet haben, vom Umweltschutz aber schon, halten sie automatisch das eine für weniger wichtig als das andere. Sie vergessen dabei anscheinend, dass auch Umweltschutz bis zum Auftauchen der Grünen nicht als ernstzunehmendes Politikfeld galt. Sie vergessen, dass der Atomausstieg damals noch für alle großen Parteien, einschließlich SPD , undenkbar gewesen wäre, dass sich vor gar nicht allzu langer Zeit niemand hätte vorstellen können, dass deutsche Innenstädte flächendeckend mit Bio-Läden ausgestattet sein würden. Und sie vergessen auch, wie sehr die grünen Ökos in ihren Strickpullis und Birkenstocks, mit den Jutetaschen

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