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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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selbst: der gesamte digitale Wandel bestimmt und verändert unser Leben in so vielen Bereichen. Er ist kein Politikfeld, das man isoliert betrachten kann. Er ist in beinahe jeder Lebenssituation präsent, und wer ihn grundsätzlich ablehnt, der lehnt damit die spannendste Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ab. Der lehnt im Prinzip auch die Globalisierung ab, die ohne die Digitalisierung nie möglich gewesen wäre. Der beraubt sich selbst der vielen, vielen Möglichkeiten, die diese bringt. Wir Jungen können uns ja wohl schlecht geistig ins 20 . Jahrhundert zurückziehen, das wäre doch arg peinlich. Die Angst der Alten vor dem Netz finden wir deswegen übertrieben. Sicher, auch im Internet gibt es Idioten – aber nicht mehr als in jeder durchschnittlichen Kneipe, in der U-Bahn, im Supermarkt oder sonst, wo Menschen aufeinander treffen.
    Zugegeben, manchmal treibt das Internetverständnis gerade der jüngeren Generation bizarre Blüten – sie betrachtet das Netz so sehr als ihren Lebensraum, dass sie selbstverständlich annimmt, sie könne dort jederzeit die Regeln bestimmen. Das stimmt natürlich so nicht ganz, denn in der Tat herrschen im Internet auch privatwirtschaftliche Interessen vor, die mit dem romantischen Netzverständnis vieler Nutzer nichts zu tun haben.
    So ist Facebook für viele längst kein Privatunternehmen mehr, sondern ein demokratisch geregelter öffentlicher Raum, der dem Allgemeinwohl zu dienen hat. Da wird auf jede Änderung der Nutzungsbedingungen mit einem Sturm der Empörung reagiert, als ginge es dabei um Steuererhöhungen oder die Schließung der Sprengelschule um die Ecke. Dabei ist Facebook eben ein Unternehmen, das seine AGB wie jedes andere Unternehmen auch weitgehend selbst bestimmen kann. Das bizarre Verhältnis zu der Plattform hat ein Text auf den Punkt gebracht, der nach einer der vielen AGB -Änderungen auf der Plattform kursierte:
    To-do-Liste
    Facebook per Statusmeldung mitteilen: Ich erkläre hiermit, dass die neuen AGB für mich nicht gelten.
Auf dem Strafzettel von gestern vermerken: Ich erkläre hiermit, dass ich überall in der Stadt parken darf.
Dem Chef eine E-Mail schicken: Ich erkläre hiermit, dass mein Gehalt sich mit sofortiger Wirkung verdoppelt.
Das Finanzamt anrufen: Ich erkläre hiermit, dass ich von der Abgabepflicht einer Steuererklärung befreit bin.
Entspannt zurücklehnen. Alles ist geregelt.
    Und auch die Sache mit dem Herunterladen von Musik und Filmen ist keineswegs so schwarz-weiß, wie dies beide Seiten behaupten. Von den Eltern hört man oft, dass den Jungen hier absolut das Unrechtsbewusstsein fehle, dass sie Musikern und Filmemachern ihre Lebensgrundlage raubten – ob nun aus Böswilligkeit oder aus Unwissenheit, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Jungen hingegen behaupten gerne, dass sie durchaus bereit wären zu zahlen – wenn es nur die entsprechenden Angebote gäbe. Sie verweisen dann gerne auf den Erfolg von iTunes und Co. Oder preisen Modelle wie den Bezahl-Streamingdienst Spotify.
    Ein bisschen machen sich beide Gruppen was vor. Die Älteren zum Beispiel vergessen gerne und willentlich, dass sie ja früher auch Musik umsonst heruntergeladen haben, auch wenn das damals noch anders hieß – sie haben Lieder aus dem Radio oder von Schallplatten aufgenommen. Und bereits vor dem Aufkommen des Internets war es möglich, Filme auf Video aufzuzeichnen. Schon zu dem Zeitpunkt, als Tongeräte auf einmal für den Privatgebrauch erschwinglich wurden, beklagte die Musik- und Filmindustrie ihren baldigen Untergang.
    Flugs wurde dann von den Beteiligten eine «Leerkassettenabgabe» zusammengebastelt, die die Industrie zumindest teilweise am neuen Trend zum Aufnehmen beteiligen sollte. Und alles war in Butter. Es gibt immer noch Musik, und es gibt immer noch Filme, es gibt immer noch einige wenige Künstler, die von ihrem Beruf leben können, und viele Künstler, die das nicht können.
    Nun ist eine digitale Kopie mit den rauschenden Kassettenaufnahmen qualitativ nur bedingt zu vergleichen – und anders als früher gibt es heute Tauschbörsen, die nicht nur dem Privatvergnügen dienen, sondern wo Musik und Filme in großem Stil verbreitet werden. Dass das ein Problem ist, wissen auch die Jungen. Zumindest theoretisch. Und theoretisch wollen ja auch die Jungen, dass Künstler von ihrem Schaffen leben können.
    Tatsache ist aber auch, dass die Jungen das Internet betrachten, als wäre es Fernsehen oder Radio. Dort zahlt man ja auch nicht

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