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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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allein dieses «Durchregieren» wirkte abschreckend.
    Und auch Personalentscheidungen werden oft von den immer selben Machtzirkeln getroffen. Dass die SPD eben nicht auf die Idee kommt, einen Kanzlerkandidaten unter all ihren Vertretern zu suchen, sondern dass die Entscheidung am Ende von den Mitgliedern nur noch abgenickt werden darf, galt vielen als Beweis, dass die Partei den Schuss immer noch nicht gehört hat. Dabei geht es wiederum gar nicht zwangsweise um die Personen, die zur Verfügung standen, sondern die Art und Weise, wie das ausgekaspert wurde.
    Und auch die Urwahl der Grünen auf Bundesebene hatte ihre Mängel. Wenn vorher schon monatelang diskutiert wird, welche der vier Führungsfiguren als Spitzenkandidat in Frage kommt, dann ist es wenig überzeugend, nach einigem Hin und Her doch noch eine Urwahl auszurufen. Wer den Mitgliedern nicht das Gefühl gibt, dass es tatsächlich etwas zu entscheiden gibt, dass tatsächlich gemeinsam nach dem besten Kandidaten gesucht wird, dass ein bisschen Zeit zum Nachdenken bleibt, der wagt allenfalls ein bisschen mehr Demokratie, nicht die volle Packung.
    Aber immerhin, der Wunsch nach Veränderung schien dann doch so groß zu sein, dass nicht die vorher als Favoritinnen gehandelten Renate Künast oder Claudia Roth die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen – sondern Katrin Göring-Eckardt, die zuletzt in der öffentlichen Wahrnehmung bei den Grünen ins Hintertreffen geraten war.
    Oft jedoch sind alte Netzwerke wichtiger als der Inhalt. Da wartet jeder schön ab, bis er an der Reihe ist, da tauschen und kungeln Parteifreunde auf allen Ebenen die Ämter hin und her, und da ist die Gefahr groß, dass, wer sich nicht ans Protokoll hält, sich selbst ins Abseits schießt. Unvergessen ist der Wutausbruch des jungen bayerischen SPD -Landrats Michael Adam, der eigentlich ein kleiner Star in seiner nicht eben erfolgsverwöhnten Partei ist. Dezidiert rechnete er via Facebook mit seiner Parteiführung ab – ausgerechnet zum Wahlkampf-Auftakt! Nur Speichellecker und Ja-Sager seien dort erwünscht, mit so einem «Ballast» sei die Wahl nie zu gewinnen.
    Wahltaktisch ungeschickt, sicher. Aber dennoch mehr als ein sicheres Zeichen, dass in den etablierten Parteien einiges schiefläuft. Wenn sogar ein aufstrebender, vielversprechender Jungpolitiker nach wenigen Jahren in der Politik so frustriert ist, dass er den eigenen Leuten in die Kniescheibe schießt, dann bedeutet das schon einiges. Hier wird außerdem der Kontrast besonders augenfällig zwischen den Jungen, die sich an die alten Strukturen anpassen – und denjenigen, die das nicht länger wollen.
    Auch bei den Grünen sind die Jungen nicht unbedingt zufrieden mit der Art und Weise, wie seit Jahrzehnten dieselbe Clique die Fäden zieht – auch wenn sich von ihnen keiner einen derart denkwürdigen Aussetzer leistete wie Landrat Adam. Aber auch von ihnen beklagen viele, dass ein streng ausgeklüngeltes Protokoll darüber entscheide, wer wann nach oben komme. Viele Junge rollen längst die Augen über die ewigen Frontfrauen Renate Künast und Claudia Roth – das zeigt nicht zuletzt der überraschende Ausgang der Urwahl, die Katrin Göring-Eckardt für sich entschied. Sie war in diesem Reigen noch am ehesten ein einigermaßen frisches Gesicht, wenn auch nicht unumstritten.
    Das übliche Parteiengedöns jedenfalls törnt uns ganz schön ab. Wir haben keine Lust, uns für etwas zu engagieren, wenn man sich dafür erst durch diverse Hierarchieebenen (Stichwort «Ochsentour») kämpfen muss, um überhaupt gehört zu werden, wenn man dafür die richtigen Leute kennen, die richtigen Kanäle bedienen muss – und somit gute Ideen auf der Strecke bleiben. Ganz schlimm wird es allerdings meistens dann, wenn es nicht nur um die eigene Partei geht, sondern wenn mehrere Parteien gemeinsam eine Lösung für ein Problem finden müssen. Da wird geschachert, verhandelt, beharrt und nachgegeben – jenseits von jeglichen Sachzwängen, einfach nur zu Profilierungszwecken.
    Beim Betreuungsgeld zum Beispiel ging es zu wie auf dem Basar: Die CSU verspricht der FDP Steuersenkungen und bekommt dafür die Geldleistung. Nach außen werden diese ganzen undurchsichtigen Entscheidungen dann von einer PR -Maschinerie kommuniziert, die die Themen weichspült, bis nur mehr sorgfältig konstruiertes Blablabla dabei herauskommt.
    Die Jungen hingegen fragen sich: Wie kann es sein, dass faktisch die Mehrheit im Parlament aus gutem Grund gegen das

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