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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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mühsame Aushandlung eines Koalitionsvertrags, bei dem am Ende keiner so richtig glücklich ist.
    Auch die Art und Weise, wie Parteibeschlüsse zustande kommen, frustriert uns. Da wird viel zu oft von oben irgendwas nach unten durchgedrückt – als wäre das etwas Gutes! Was schon die Manager bei Audi und Co. in Erstaunen versetzte, beginnen die Politiker gerade erst zu begreifen: Die Jungen haben keine Lust, sich einer irgendwie gearteten Parteiendisziplin auszusetzen und von oben diktierte Prinzipien umzusetzen. Und deswegen engagieren wir uns lieber für konkrete Projekte als für Parteien. Für uns ist es leichter, für den Migrations-Fußballclub in der unmittelbaren Nachbarschaft zu sammeln, uns mit den Leuten zu vernetzen, die in diesem Moment dasselbe wollen wie wir, als unser Engagement in die Dienste einer Partei zu stellen, die womöglich Beschlüsse fällt und Kommunikationswege wählt, die uns nicht gefallen.
    Der Autor Wolfgang Gründinger schreibt in seinem Buch
Wir Zukunftssucher
von einem Besuch in einer Schule. Die meisten Schüler dort gaben an, sich nicht für Politik zu interessieren – Politik war für sie allerdings gleichbedeutend mit «Parteien», also mit «denen da in Berlin», die für sie irgendwie zu weit weg waren. Erst als es auf einmal nicht mehr abstrakt um «die da oben ging», sondern um Castor-Transporte und den örtlichen CSU -Abgeordneten, kam Leben in die Schüler, auf einmal hatten sie durchaus eine Meinung und auch Interesse. Aber an und für sich nehmen sie «Politik» als das wahr, was Parteien und Politiker machen – nicht als etwas, das sie selbst betrifft. Und darauf haben sie keine Lust.
    Aber ist das Bild von Politikern tatsächlich zu Recht so schlecht? Wir haben seit unserer Geburt erlebt, wie Politiker das eine sagen – und genau das andere passiert. Oftmals ist aber gar nicht der Meinungswechsel an sich daran schuld, dass wir wütend werden. Für viele Entscheidungen hätten wir schließlich Verständnis. Wer, wenn nicht wir, würde Pragmatismus über Ideologie stellen? Allerdings verlangen wir von den Parteien, dass sie auch ehrlich zugeben, wenn sie mit ihrem bisherigen Kurs nicht weiterkommen. Wenn sie sagen: «Mit dieser Situation haben wir nicht gerechnet. Da müssen wir unsere Meinung korrigieren.» Dass sie ehrlich sind zu uns und zu sich selbst, uns auch schwierige Themen und Entscheidungsprozesse zutrauen. Wir können damit schon umgehen –
we can handle this
.

Wir wollen nicht alles wissen, aber vieles
    Ständige Kommunikation , Ehrlichkeit, Mitmachmöglichkeiten für alle – oftmals werden diese Forderungen in einer Reihe mit einer weiteren genannt. Nämlich der nach mehr Transparenz. Aber wie viel muss denn eigentlich transparent sein, damit Politik verständlicher und nachvollziehbarer wird? Denn wir wollen verstehen, was in der Politik passiert, wollen wissen, wie Entscheidungen zustande kommen, wollen wissen, wer tatsächlich was denkt und wer von wem bezahlt wird.
    Wen wundert’s auch, dass die Leute inzwischen mehr über die Politik wissen wollen als früher, als jeder seine Stammpartei hatte? Der Bildungsstandard der Bevölkerung steigt seit Jahren, in der Altersgruppe der 30 - bis 35 -Jährigen haben heute doppelt so viele Menschen Abitur wie in der Altersgruppe der 60 - bis 65 -Jährigen. Dass die auch ein bisschen mehr darüber wissen wollen, was eigentlich in der Politik passiert, ist ganz normal. Und haben nicht unsere Eltern, die Lehrer und jene Medien, die für sich selbst die Bezeichnung «Qualitätspresse» in Anspruch nehmen, uns dazu erzogen, immer schön kritisch nachzufragen? Keiner Werbung blind zu vertrauen? Genau darum geht es bei der Forderung nach mehr Transparenz.
    Nun ist der Begriff inzwischen ähnlich ideologisch aufgeladen wie «das Internet» – die einen preisen Transparenz als die Lösung aller Probleme: Sie setze Korruption, Vetternwirtschaft und Politikverdrossenheit ein Ende. Die anderen verteufeln den Drang nach mehr Transparenz als totalitär. Die nächsten proklamieren, totale Transparenz führe zu totalem Chaos. Wer soll schließlich noch das Wichtige herausfiltern, wenn wirklich alle Informationen allzeit verfügbar sind? Und wieder andere beharren darauf, dass ein bestimmtes Maß an Geheimnissen und gegenseitigem Vertrauen schlicht nötig sei, damit Politik funktioniert.
    Dabei wollen wir keinesfalls totale Transparenz. Das ist ein Irrtum, dem viele Ältere im Zuge der sogenannten Post-Privacy-Debatte

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