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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Beitzer
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Betreuungsgeld ist – und es dann doch beschlossen wird? In solchen Momenten scheint die Politik noch mehr als sonst weit, weit entfernt vom Leben der Menschen.
    Wir wünschen uns eine Politik der wechselnden Koalitionen, bei der es mehr auf Fallentscheidungen als auf Parteidisziplin ankommt. Und es gibt auch schon erste Versuche der Jungen, aus diesem allzu starren Korsett auszubrechen.
    Im November 2012 etwa riefen elf junge Aktive aus allen möglichen Parteien und gesellschaftlichen Strömungen in der
Zeit
zu einem Politikwechsel auf. Die Forderungen an sich waren vielleicht nicht sonderlich spektakulär: mehr Transparenz, mehr direkte Beteiligung, mehr Gerechtigkeit. Die Autoren legten außerdem mit einiger Vehemenz dar, dass sich auch die Inhalte der Politik ändern müssen: weniger Schulden, keine Ausbeutung der Umwelt, auf dass wir und die nachfolgenden Generationen nicht einen Planeten verwalten müssen, der aus dem letzten Loch pfeift. Bemerkenswert ist allerdings die Form, die die elf Unterzeichner gewählt haben. Denn obwohl sie in ihrer Einleitung von einer Generation schreiben, die selten eine Stimme hat, trifft es auf jeden Einzelnen von ihnen eigentlich nicht zu. Fast alle sind parteipolitisch engagiert und spielen in ihren jeweiligen Parteien keine kleine Rolle, sind schon als Autoren oder Politiker bekannt. Doch aus dem Manifest spricht die Sehnsucht, das Lagerdenken des 20 . Jahrhunderts endlich zu überwinden. Denn eigentlich, so schlussfolgern sie, wollen wir doch alle dasselbe.
    «Wir wollten einfach ein Ausrufezeichen dahinter setzen, worauf es der jungen Generation ankommt», sagt Hanna Sammüller, Grünen-Mitglied und Mitunterzeichnerin. «Wir wollten vermeiden, dass es gleich wieder in eine bestimmte parteipolitische Ecke gestellt wird.» Sie spürt bei ihrer Generation, die sich mit den Umweltschäden und Schuldenbergen ihrer Eltern und Großeltern herumschlagen muss, einen anderen Leidensdruck und damit verbunden einen größeren Bedarf an überparteilicher Verständigung. «Ich hoffe, dass hier ein Öffnung stattfindet und nicht jeder weiter mit seinen Scheuklappen rumläuft», sagt sie.
    Das kann man jetzt natürlich reichlich naiv finden. Es sei auch den Autoren klar, dass der politische Alltag anders funktioniert, erklärt Hanna Sammüller. Da gehören Zuspitzungen und die Abgrenzung vom politischen Gegner einfach dazu. Und kaum einer der Autoren würde wohl bestreiten, dass es auch zum Wesen der Politik gehört, dem Wähler Alternativen anzubieten und nicht einfach eine große Konsenssuppe anzurühren.
    Dennoch steckt hinter dem Aufruf eine Sehnsucht nach Verständigung. Beileibe nicht nur junge Wähler finden die Einteilung in zwei konträre Lager («bürgerlich» vs. «links») seltsam. Auch Heribert Prantl schrieb nach der Niedersachsenwahl in der
Süddeutschen Zeitung
: «Wahrscheinlich gibt es, trotz des Boheis, der um die Rentenpolitik gemacht wird, nur tausend Leute in Deutschland, die hier die Differenzen zwischen Union und SPD buchstabieren können.» Und mal ehrlich, so richtig trennscharf sind die Unterschiede in den Parteiprogrammen auch wieder nicht. Alle wollen irgendwie Gerechtigkeit, alle wollen Bildungschancen, alle wollen Wohlstand – und die Systemfrage stellt auch keiner. Abgesehen vielleicht von der Linkspartei, der aber gerade in Westdeutschland der Boden unter den Füßen wegbricht.
    Meistens sind es also ganz andere Gründe als bombenfeste Programme, die zu Parlamentsentscheidungen und Koalitionen führen – mit zuweilen seltsamen Ergebnissen, die bei den Verhandlungen herauskommen. Das Problem ist: Genau so funktioniert unsere Demokratie, die vor allem auf stabile Mehrheitsverhältnisse ausgelegt ist.
    Viele Junge können sich aber auch ein System vorstellen, in dem es eher wechselnde Koalitionen gibt – in zahlreichen skandinavischen Ländern gibt es schon Minderheitenregierungen. Und auch Hannelore Kraft hat es ja in Nordrhein-Westfalen nicht geschadet, es wenigstens mal zu versuchen. Eigentlich ist die Vorstellung nämlich reizvoll: Es müsste mehr diskutiert und für Positionen geworben werden, das Parlament würde zu einer Instanz, die wirklich Entscheidungen treffen kann. Und nicht nur einfach Gesetze der Regierungen abnickt.
    Die Gräben zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien müssten zugeschüttet werden – und Entscheidungen müssten tatsächlich eine Mehrheit der gewählten Abgeordneten fällen. Das klingt so viel vernünftiger als die

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