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Wir zwei allein

Wir zwei allein

Titel: Wir zwei allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Nawrat
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Verkäuferin bei mir Zigaretten. Ich werde sie heute fragen, ob sie mit mir ein Bier trinkt.
    Es wird noch mal schneien, sage ich. Das ist doch jedes Jahr das Gleiche.
    Niko sieht mich an. Er schüttelt den Kopf. Du bräuchtest definitiv ein Bier, sagt er.
    Der Februar gaukelt uns was vor, denke ich, als ich wieder im Sprinter sitze und den Motor starte. Hier stimmt etwas nicht. Merkt das denn niemand außer mir?

    14    Ein Mädchen würde ich Chloë nennen, sagt Theres.
    Um uns klappern die Messer und Gabeln auf den Tellern. Vor dem Fenster Sonnenstreifen auf dem Kies, der Waldsee. Sie stochert in ihrem Rührei herum, schiebt ein Stück Tomate mit dem Finger auf die Gabel und nimmt die Gabel in den Mund.
    Welche Namen findest du gut?
    Hertha, sage ich.
    Hertha? Warum Hertha?
    Ich weiß nicht. Ich stelle mir vor, dass eine Hertha niemals im Bach hinter dem Haus spielen wird. Dass sie nie Kuchen aus Schlamm backen wird. Dass sie nie solche überlangen Alpakawollpullis tragen wird.
    Theres kraust die Stirn, hört auf zu kauen. Aber sollte ein Kind so etwas nicht machen?
    Irgendwie nicht.
    Und was soll es machen?
    Keine Ahnung.
    Theres lacht. Sie beugt sich vor und streichelt meine Wange.
    Ich blicke hinaus. Auf dem Waldsee ein Tretboot, darin eine Mutter und zwei Jungs in gelben Anoraks. Sie haben beide ihre Ärmel hochgekrempelt und hängen ihre Unterarme ins Wasser. Das Klavier setzt wieder ein, der Schlagzeuger fängt an, mit den Besen zu rascheln.
    Isst du denn gar nichts?, fragt Theres.
    Ich habe keinen Hunger.
    Ich könnte ewig weiteressen, sagt sie. Bald fang ich wieder beim Müsli an. Ich komm mir manchmal vor wie ein Huhn. Körner, Körner, Körner. Schau ich schon aus wie ein Huhn? Sie fängt an, mit dem Kopf hin und her zu zucken.
    Du schaust gut aus, Theres, sage ich.
    Ein Mädchen steht neben uns.
    Mein Papa fragt, ob wir die Zeitung haben können.
    Aber kannst du denn überhaupt schon lesen?, fragt Theres.
    Nein, sagt das Mädchen und hält sich an der Tischkante fest und hebt ein Bein wie eine Ballerina.
    Aber dein Papa kann lesen, sagt Theres und gibt ihr die Zeitung.
    Ich drehe mir eine Zigarette. Das Mädchen geht zurück durch die Tischreihen, bewegt sich dabei wie eine Stoffpuppe, die Zöpfe fliegen zu den Seiten.
    Es ist schön hier mit dir, sagt Theres.
    Ja, sage ich.
    Das wird bestimmt ein schöner Sommer, sagt sie. Wir könnten doch zusammen nach Frankreich fahren. An den Atlantik zum Beispiel. Was meinst du?
    Ja, vielleicht, sage ich.
    Das wäre doch schön, oder?, sagt Theres.
    Ja, das wäre sicher schön, sage ich.
    Ich zeige ihr die Zigarette, lächle und zucke die Achseln. Ich stehe auf und gehe durch die Tischreihen, trete ins Freie, wo die Luft kalt und frisch ist. Ich atme diese frische Luft ein, lehne mich gegen eine Säule.

    15    Am nächsten Morgen habe ich gerade den Feldberg überquert und bin auf der Kammstraße zum Schauinsland. Ein richtig lauter Schlag ist das, und er setzt sich bis in meine Magengrube fort. Ein Backstein in einer Waschmaschinentrommel. Endlich ist die Vorderachse dem Rost erlegen, denke ich. Ich komme quietschend und wuchtend zum Stehen, springe raus und bücke mich zur Stoßstange. Der Motor klimpert, es stinkt nach verbranntem Gummi. Aber die Achse ist ganz. Da sehe ich den Haufen, der in der Verlängerung der Bremsspur auf der Fahrbahn liegt, zwanzig Meter von mir entfernt. Ich folge der Spur zurück, gehe immer langsamer, bis meine Knie nicht mehr meine eigenen sind. Am Ende der zwei schwarzen Streifen bleibe ich stehen und atme aus. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Der Tod zeichnet sich durch eine gewisse Abwesenheit aus. Ich starre lange in diese glücklose Masse aus rotem Fleisch und schwarzweißem Fell. Etwas glänzt darin auf. Ein schwarzes Kügelchen, eine Glasmurmel, in der sich der grellweiße Himmel spiegelt. Ich will diesen Hügel berühren und die Wärme spüren. Ich will etwas darin festhalten. Ich wanke zurück. Ich öffne die Hecktür und setze mich auf die Ladefläche. Ich drehe mir eine Zigarette, zünde sie an. Der Rauch steigt zum Himmel auf.

    16    Am Abend sitze ich im Sessel und starre auf das plusterige Weiß, das die Streu meiner Yucca-Palme bedeckt. Ich denke an einen stampfenden Elefanten. An einen See am Morgen. Nebel über dem Wasser, eine Rohrdommel krächzt von der anderen Uferseite. Ein Zug irgendwo, zunächst nur ein leises Rauschen, kommt näher, in den Waggons eine illustre Gesellschaft: eine Diva, ein

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