Wir zwei sind Du und Ich
Kopf geworfen bekommt.
„Na warte!“, ruft Micha und verfolgt Ri, die fröhlich kreischend um den Tisch rennt.
Wenig später machen es sich die drei auf Bens Bett gemütlich, essen knusprige Pizza und schauen fern.
Micha kuschelt sich an Ri und Ri an Ben. Sie liegen einfach nur da und genießen den Augenblick.
„Ist es für dich okay, wenn ich eine Weile hier wohne?“, fragt Ri Micha vorsichtig.
„’Türlich! Du bist doch wie Bens Schwester. Seine Familie.“
„Danke!“ sagt Ri von Herzen und streicht Micha durch seine weichen, hellblonden Haare. „Wollen wir alle zusammen noch ins Romeo?“, fragt Micha plötzlich.
„Jetzt?“, stöhnt Ben.
„Aber da dürfen doch nur Männer rein“, gibt Ri zu bedenken.
„Wir kennen doch den Türsteher“, sagt Micha und grinst.
„Achtzehn bin ich aber auch noch nicht“, sagt Ri in der Hoffnung, Michas Vorschlag entgehen zu können. Der Gedanke, ins Romeo zu gehen, macht ihr Angst. Sie war noch nie in einem Club. Wieso auch? Warum gehen Leute überhaupt in einen Club? Ri hatte das nie verstehen können.
„Also Prinzessin“, mischt sich jetzt Ben ein, „das lass mal unsere Sorge sein. Wenn wir sagen, dass wir dich reinbringen, dann bringen wir dich auch rein.“
Eine fremde neue Welt
Im Romeo war es so dunkel, dass Ri erst gar nichts erkennen konnte. Noch dazu all der Rauch, der wie dichter Nebel in der Luft hing. Der Türsteher hatte sie tatsächlich reingelassen. Für einen Moment glaubte Ri sogar, einen Anflug von einem Lächeln in seinem grimmigen Gesicht erkannt zu haben. Aber vielleicht war es auch nur ihre innere Unruhe, eine Art Aufgeregtheit, die ihr einen Streich spielte.
Ri lehnt sich an die dunkelrote Wand, die vom Bass der lauten Musik vibriert und ihren Körper durchdringt. Ben und Micha sind im Getümmel verschwunden. Ri hatte gerade noch sehen können, wie sie von allen Seiten begrüßt wurden. Küsschen rechts. Küsschen links.
Manchmal auch Lippe auf Lippe. Ri muss an den Kuss mit Ben denken. Ewigkeit, dieser eine Moment hätte ewig dauern können.
Hier in der Ecke, an der kalten Wand fühlt sie sich gut. Der Bass, den sie spürt, ist wie eine Berührung. Die Berührung eines Fremden – gefährlich und anziehend zugleich. Die Musik ist wie ein guter Freund und doch kommt sie sich fehl am Platz vor zwischen all den Schwulen.
Da kommt Ben von der Seite lächelnd auf Ri zu. Mit zwei Gläsern in seinen Händen, wovon er Ri eines freudig entgegenstreckt.
„Auf uns, Prinzessin!“, schreit Ben laut in Ris Ohr, um gegen die ohrenbetäubende Musik anzukommen. Seine Lippen berühren dabei Ris Ohr, sodass sie ein leichter Schauer überkommt. Wie ein kühler Sommerwind.
„Auf uns!“, schreit Ri zurück. Die Gläser klirren. Ri schlürft vorsichtig an dem schwarzen Röhrchen. Ungewohnte Süße legt sich wie ein Film über ihre Kehle.
„Was ist das?“
„Caipi.“
„Lecker“, verträumt schleckt Ri die braunen Zuckerkristalle von ihren Lippen.
Nach dem zweiten Glas ist Ri betrunken. Der Alkohol befällt sie wie ein leichtes Fieber. Alles kommt ihr plötzlich gedämpft vor. Die Blicke der anderen stören sie nicht. Sie nimmt sie nicht einmal wahr. Sie allein ist der Mittelpunkt der Welt. Und das fühlt sich verdammt gut an! Ri ahnt jetzt, warum Leute gerne in Clubs gehen.
Bevor Ben sich wehren kann, hat sie ihn auf die Tanzfläche gezogen. Wild und ausgelassen hüpfen sie umher. Irgendwie frei, lebendig, am Leben. Bunte Lichter hüllen sie ein.
Ri vergisst die Zeit. Irgendetwas Mächtiges nimmt Besitz von ihr. Zieht sie immer tiefer hinein, ein Rausch, ein Fest, ein Gefühl. Einmal, als sie Wange an Wange mit Ben tanzt, seinen verschwitzten heißen Körper an ihrem spürt, kommt ihr ein Gedanke, wie ein Aufflammen von Klarheit im Nebel der Nacht. Jetzt einfach sterben, denkt sie. Glücklich sterben. Was wäre schöner?
Der Morgen danach
Fürchterliche Schmerzen hämmern in ihrem Kopf. Langsam öffnet Ri ihre schweren Augen. Bens Arm liegt um ihre Taille auf ihrer nackten Haut. Sie hat nur ihre Unterwäsche an. Behutsam legt sie Bens Arm beiseite und wankt ins Badezimmer. Bei jedem Schritt vibriert dieser Schmerz in ihrem Kopf.
Übelkeit kriecht in ihr hoch. Mit jedem Atemzug inhaliert sie den Geruch von kaltem, abgestandenen Zigarettenrauch, der sich in ihre Haare gefressen hat. Mit Mühe erreicht sie das Badezimmer, wo sie sich ächzend vor die Kloschüssel kniet und sich übergibt – das ganze Elend erbricht.
Nachdem sie
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