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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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sich anschließend dreimal die Zähne geputzt hat, um den widerlichen Geschmack im Mund loszuwerden und im Badezimmerschrank eine Aspirin gefunden hat, lässt sie heißes Wasser in die Wanne laufen, entledigt sich ihrer ebenso übel riechenden Wäsche und sinkt mit ihrem weißen, dünnen Körper in die wohltuende Wärme.
    „Ri?“, hört sie Ben im Flur rufen. „Wo bist du?“
    „Im Bad“, ruft sie durch die Tür.
    „Alles okay?“
    „In meinem ganzen Leben werde ich keinen Alkohol mehr anrühren“, stöhnt sie.
    Ben lacht. „Ich mach Frühstück“, ruft er ihr zu. „Dann wird’s dir gleich besser gehen.“
    „Ok“, murmelt Ri und taucht im Badewasser unter, bis sie keine Luft mehr bekommt.
    Frisch gebadet, mit einer heißen Tasse Kaffee in der Hand und einem knusprig gebackenen Toast vor sich auf dem Teller liegend, sitzen Ri und Ben wenig später am Frühstückstisch. Tatsächlich sieht die Welt jetzt schon ganz anders aus. Ihr ist nicht mehr schlecht und sie hat einen Riesenhunger.
    „Ich kann mich an nichts mehr erinnern“, sagt sie, während sie an einem großen Stück Toast kaut. „Egal wie oft ich es versuche.“
    „Echt?“, fragt Ben. „Dann haste wohl einen Filmriss.“
    „Ich weiß noch, dass wir getanzt haben, aber sonst ...“
    „Sonst hatten wir viel Spaß“, ergänzt Ben lachend und verwuschelt Ris nasse Haare.
    „Das ist gemein, Ben! Sag schon, hab ich was Schlimmes gemacht?“
    Da klingelt Ris Handy, das im Teeregal über der Spüle liegt. Weiß der Kuckuck, wie es dahin gekommen ist. Ri nimmt ab.
    „Hallo?“
    „Ri, ich bin’s.“
    „Hallo Mama“, sagt Ri knapp.
    „Geht es dir gut?“
    „Hm“, murmelt Ri. „Ich bin bei Ben und werde auch erstmal hier bleiben.“
    Stille am anderen Ende der Leitung. „Wenn du meinst“, sagt Frau Lehmann dann mit einem leichten vorwurfsvollen Unterton in der Stimme.
    „Ja, das meine ich“, gibt Ri trotzig zurück. „Wie geht’s Papa?“
    „Deinem Vater geht’s besser. Die Ärzte meinen, dass er es schaffen wird.“
    „Schön. Das freut mich“, sagt Ri erschreckend kalt.
    „...und Weihnachten?“, fragt Frau Lehmann vorsichtig.
    „Mal sehen ...“
    „Ok dann ...“, fängt Frau Lehmann an, als warte sie auf ein Entgegenkommen von Ri.
    „Ja, dann mach’s gut Mama.“
    „Du auch.“
    Frau Lehmann legt auf und in Ri breitet sich ein schreckliches Gefühl aus, als hätte sie etwas falsch gemacht. Jetzt tut es ihr fast leid, wie sie mit ihrer Mutter gesprochen hat. Aber es ging nicht anders. Etwas in ihr hat sie diese Worte sagen lassen. Genau so. Und doch fühlt es sich jetzt schlecht an.

Die Wintersonne über Berlin
    Zwei Wochen sind vergangen. Ri war nicht in der Schule. In ihrem Kopf war so viel los, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Die Schule und das ganze Theater darum waren jetzt nicht wichtig. Nur mit Ben sein war wichtig. Sollte der Rektor doch ihre Eltern anrufen. Sollten sie sie doch von der Schule verweisen. Ihre Eltern wollten sie ja eh auf ein Schweizer Internat schicken.
    Ben beruhigte sie.
    „Kommt Zeit, kommt Rat“, hatte er gesagt, wenn am Abend doch die Sorgen wiederkehrten und sich schwer auf sie legten.
    „Jetzt musst du erstmal wieder zu dir finden, dann finden wir auch eine Lösung für das Schulproblem.“
    Und um sie abzulenken, hatten sie lange Spaziergänge durch ihren alten Kiez gemacht. Durch ihre Kindheit.
    Einen Tag vor Heiligabend fahren Ben und Ri zum Zoo. Die Wintersonne scheint über Berlin. Sie wollen einen kleinen Rundgang durch den Tiergarten machen, wie früher als Kinder. Mit Lola waren sie oft hier gewesen.
    „Meinst du wirklich, es ist richtig, wenn du Weihnachten nicht nach Hause gehst?“, fragt Ben.
    Ri überlegt eine Weile. „Ich denke schon“, sagt sie dann. „Ich könnte es nicht ertragen, ihm in die Augen zu sehen und auf heile Familie zu machen. Das geht wirklich nicht.“
    Der sandige Kies knirscht unter ihren Schritten. Die Sonne hat alles Weiße in matschige Pfützen verwandelt. Bäume und Sträucher stehen kahl und ungelenk nebeneinander. Wie Soldaten nach der Schlacht.
    Ben hakt sich bei Ri ein. Die Sonne streichelt ihre Rücken. „Ich freue mich natürlich, dass du bei mir bist an Weihnachten“, sagt Ben zögerlich. „Zumal Micha ja zu seiner Familie nach Heidelberg fährt. Aber dass du immer noch Streit mit deinen Eltern hast, gefällt mir nicht.“
    Ri runzelt die Stirn. „Was soll ich machen?“, fragt sie leise. „Ich kann nicht vergessen,

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