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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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gefällt.«
    Der Untersetzte spuckte aus, dann zeigte er wieder auf die Wiese. »Beeilt euch! Dort hinüber!« Als sie einen freien Platz erreichten – die Menge war ihnen gefolgt –, sprang er herunter. »Raus mit euch! Ich will euren Wagen nach Waffen und Schmuggelware durchsuchen.«
    »Wir haben weder Waffen noch …«
    »Heraus! Und du Frau, halt den Mund!« Die alten Weiber in der Menge zischten beifällig. Zornig zeigte der Untersetzte auf die beiden Leichen, die im Schneematsch lagen. »Die Gerechtigkeit des Volkes arbeitet rasch und gründlich, vergeßt das nicht!« Er wies auf Erikki. »Übersetze deinem Ungeheuer von Mann, was ich gesagt habe – falls er dein Mann ist.«
    »Erikki, er sagt, daß … daß die Gerechtigkeit des Volkes rasch und gründlich arbeitet, und daß wir es nicht vergessen sollen. Sei vorsichtig, mein Liebling. Wir müssen aussteigen. Sie wollen das Auto durchsuchen.«
    »Gut. Aber klettere auf meiner Seite heraus.« Als Erikki ausstieg, überragte er die Menge. Er legte Azadeh schützend den Arm um die Schultern, denn die Leute drängten sich um sie. Der Gestank ihrer ungewaschenen Körper war kaum zu ertragen. Sie zitterte, obwohl sie versuchte, sich zu beherrschen. Sie sahen zu, wie der Untersetzte und die übrigen in das Auto kletterten und mit ihren schmutzigen Stiefeln auf die Sitze stiegen. Sie öffneten die hinteren Türen, rissen gleichgültig ihre Sachen heraus, die gierigen Hände öffneten seine und ihre Reisetasche. Dann hob einer der Männer ihre dünne Unterwäsche hoch, und die übrigen johlten und pfiffen. Die alten Weiber murmelten mißbilligend. Eine von ihnen berührte Azadehs Haar, die zurückwich. Sofort schob sich Erikki vor sie, aber die Menge wich nicht von der Stelle, obwohl diejenigen, die er wegdrängte, aufschrieen. Die Wut der Leute nahm zu, drohende Rufe wurden laut, und der Kreis um Erikki und Azadeh wurde noch enger.
    Plötzlich wurde Erikki zum erstenmal klar, daß er Azadeh nicht beschützen konnte. Auch wenn er ein Dutzend Angreifer tötete, würden sie ihn letzten Endes doch umbringen, und dann wäre Azadeh vollkommen schutzlos. Diese Erkenntnis erschütterte ihn. Seine Beine gaben nach. Er hatte das dringende Bedürfnis zu urinieren, der Geruch seiner Angst erstickte ihn, und er kämpfte gegen die Panik an, die in ihm aufstieg. Stumpf sah er zu, wie ihr Eigentum von Hand zu Hand wanderte. Männer schwankten mit den lebenswichtigen Benzinkanistern davon, ohne die sie Teheran nie erreichen konnten. Er versuchte, seine Beine in Bewegung zu setzen, aber sie gehorchten ihm ebensowenig wie sein Mund.
    Sein Arm lag immer noch um Azadehs Schultern. Sie blickte zu ihm auf, und er erkannte, wie entsetzt sie war, konnte aber wegen des Lärms nicht verstehen, was sie sagte. Verzweifelt versuchte er, sowohl die aufsteigende Panik als auch seine Kampflust zu unterdrücken, denn er durfte nicht gewalttätig werden, wenn er kein allgemeines Gemetzel auslösen wollte. Doch er konnte sich nicht mehr beherrschen und stieß blindlings mit seinem freien Ellbogen zu. Im gleichen Augenblick drängte sich eine kräftige Bäuerin wütend bis zu ihnen durch und drückte Azadeh einen Tschador an die Brust; damit lenkte sie die Aufmerksamkeit von dem Mann ab, der nach Erikkis Stoß hinter ihm zusammengebrochen war.
    Die Leute schrieen Azadeh an, befahlen ihr offensichtlich, den Tschador anzulegen. Sie aber weigerte sich und schluchzte vollkommen ratlos: »Nein, laßt mich in Ruhe!« Noch nie in ihrem Leben war sie so bedroht worden, noch nie hatte sie sich unter solchen Menschen befunden, noch nie eine solche Feindseligkeit erlebt.
    »Zieh ihn an, Dirne!«
    »Im Namen Allahs, leg den Tschador an!«
    »Nicht im Namen Allahs, Frau. Im Namen des Volkes!«
    »Allah ist groß, gehorche dem Gebot!«
    »Scheiß auf Allah, gehorche der Revolution!«
    »Bedecke dein Haar, Hure und Tochter einer Hure!«
    »Gehorche dem Propheten, sein Name sei gepriesen!«
    Das Geschrei und das Gedränge nahmen zu, der auf dem Boden liegende Mann wurde zu Tode getrampelt. Dann zerrte jemand an Erikkis Arm, den er um Azadeh gelegt hatte. Der Finne griff nach seinem großen Dolch, und sie schrie: »Nicht, Erikki, nicht! Sie bringen dich um …«
    Verzweifelt stieß sie die Bäuerin von sich, zog den Tschador über, rief dabei einige Male »Allah-u Akbar« und besänftigte dadurch die Umstehenden ein wenig. Sie blickte nicht zu Erikki auf, klammerte sich aber an ihn und zitterte wie ein

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