Wirbelsturm
frierender junger Hund. Brüllendes Gelächter ertönte, als sich ein Mann Azadehs Büstenhalter vor die Brust hielt.
Das Getümmel ging weiter, bis die Stimmung plötzlich umschlug. Der Untersetzte und seine Gefolgsleute blickten regungslos in Richtung Qazvin und tauchten im nächsten Augenblick in der Menge unter. Andere Männer, die in der Nähe der Straßensperre standen, bestiegen ihre Wagen und brausten eilig auf der Straße nach Teheran davon. Jetzt war auch die Menge aufmerksam geworden und starrte in die Richtung zur Stadt. Auf der Straße näherte sich unter der Führung einiger Mullahs eine Schar Männer. Etliche von ihnen waren bewaffnet. Sie schrieen: »Allah-u Akbar, Allah und Khomeini«, begannen plötzlich zu laufen und griffen die Straßensperre an.
Schüsse fielen, das Feuer wurde von der Straßensperre aus erwidert, die Gegner schlugen mit Knüppeln, Eisenstangen und ein paar Gewehren aufeinander ein. Viele rannten davon; die Dorfbewohner in ihre Häuser, die Autobesitzer zu den Gräben, in denen sie Deckung suchten.
Das Geschrei, die Schüsse und der Kampflärm rissen Erikki aus seiner Erstarrung. Er schob Azadeh zum Auto, hob unterwegs hastig einen Teil ihrer Habe auf, warf die Sachen auf den Rücksitz und schlug die Fondtür zu. Ein halbes Dutzend Dorfbewohner wollte sich ebenfalls bücken und bereichern, aber er schob sie aus dem Weg, sprang in den Fahrersitz, startete, fuhr rückwärts, dann wieder vor, über die Wiese und parallel zur Straße weiter. Rechts von ihm stiegen der Untersetzte und drei seiner Gefährten in ein Auto, und ihm fiel ein, daß der Untersetzte noch immer ihre Papiere bei sich hatte. Einen Sekundenbruchteil lang wollte er stehenbleiben, verwarf aber sogleich den Gedanken und fuhr auf die Bäume zu, die die Straße säumten. Doch nun nahm der Untersetzte die Maschinenpistole von der Schulter, zielte und drückte ab. Der Feuerstoß ging über sie hinweg. Erikki riß das Lenkrad herum, trat das Gaspedal durch und griff den Schützen an. Die massive Stoßstange des Rovers preßte den Mann gegen sein Auto, zerquetschte ihn und drückte das Blech ein. Seine Maschinenpistole feuerte weiter, bis das Magazin leergeschossen war. Die Kugeln prallten vom Metall ab und durchschlugen die Windschutzscheibe. Erikki setzte zurück und griff wieder an. Das fremde Auto stürzte um, seine Insassen schienen tödlich verletzt, und Erikki wollte aussteigen und ihnen mit den bloßen Händen den Rest geben. Doch dann sah er im Rückspiegel Männer, die auf seinen Wagen zugerannt kamen, und er flüchtete.
Der Range-Rover war für diese Art von Gelände gebaut, und die Winterreifen griffen gut auf dem rauhen Boden. Im nächsten Augenblick befanden sie sich zwischen den Bäumen, wo sie kein Geschoß mehr treffen konnte. Erikki wollte auf die Straße, schaltete hinunter, sperrte beide Differentiale, kletterte mit dem Wagen über den tiefen joub und zerriß dabei den Stacheldrahtzaun. Auf der Straße löste er dann die Differentialsperre, schaltete in den höheren Gang und brauste davon.
Erst jetzt wich der rote Schleier von seinen Augen. Entsetzt erinnerte er sich an die Kugeln, die den Wagen getroffen hatten. Erschrocken schaute er zu Azadeh hinüber, doch ihr war nichts geschehen, sie war nur vor Angst wie gelähmt, kauerte im Sitz und hielt sich mit beiden Händen fest. Einen Augenblick lang erkannte er sie nicht, sah nur ein iranisches Gesicht, das der Tschador verunstaltete – wie all die unzähligen, die er in den Menschenansammlungen erblickt hatte.
»Ach, Azadeh«, stöhnte er, griff nach ihr, zog sie an sich und lenkte dabei mit einer Hand den Rover weiter. Doch dann bremste er, fuhr an den Straßenrand, hielt an und drückte sie an sich, während sie haltlos schluchzte. Er bemerkte nicht, daß die Benzinanzeige beinahe auf null stand, daß der Verkehr stärker wurde, und daß viele Autos, in denen Revolutionäre saßen, von der Straßensperre nach Teheran flohen.
17
Zagros 3: 15 Uhr 18. Die vier Männer rasten auf Schlitten den Hang hinter der Basis hinunter. Scot Gavallan lag knapp vor Jean-Luc Sessone, der sich auf gleicher Höhe mit Nasiri, dem Leiter der Basis, befand, während Nitchak Khan etwa zwanzig Meter hinter ihnen folgte. Das Wettrodeln hatte Jean-Luc organisiert, nach dem Motto: der Iran gegen den Rest der Welt. Alle vier Männer kämpften erbittert um den Sieg. Der Preis für den Sieger bestand aus 5.000 Rial – etwa 60 Dollar – und einer von Locharts
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