Wirbelsturm
Haufen.
Als Jean-Luc wieder zu Atem gekommen war, stellte er fest: »Da es kein Zielfoto gibt, erkläre ich Nitchak Khan zum Sieger um Nasenlänge. Und da die Verlierer sich so tapfer geschlagen haben, belohne ich sie mit einer weiteren Flasche von Toms Whisky, die auf mein Kommando von allen Ausländern bei Sonnenuntergang geleert wird.«
Jeder schüttelte jedem die Hand. Nitchak Khan stimmte einem weiteren Wettkampf im nächsten Monat zu, und da er dem Gesetz gehorchte und keinen Alkohol trank, verschacherte er die gewonnene Flasche um den halben Preis an Jean-Luc. Wieder applaudierten alle, als plötzlich ein Warnschrei ertönte.
Im Norden, weit oben in den Bergen, stieg eine rote Leuchtkugel zum Himmel. Stille trat ein. Die Leuchtkugel verschwand. Dann erhob sich die nächste: SOS. Dringend.
»CASEVAC«, stellte Jean-Luc fest. »Muß Bohrturm Rosa oder Bohrturm Bellissima sein.«
»Ich bin schon unterwegs.« Scot Gavallan lief los.
»Ich fliege mit. Wir nehmen eine 212 und machen gleich einen Testflug für dich daraus.«
Wenig später befanden sie sich schon in der Luft. Bohrturm Rosa stammte aus einem Guerney-Vertrag, Bellissima war einer ihrer eigenen Bohrtürme. Alle elf Bohrtürme in diesem Gebiet waren im Auftrag von IranOil von einer italienischen Gesellschaft errichtet worden. Obwohl alle in Funkverbindung mit Zagros 3 standen, funktionierte der Funkverkehr wegen der Berge und der Streuung nicht immer einwandfrei. Als Ersatz wurden Leuchtkugeln verwendet.
Die 212 stieg gleichmäßig auf 3.000 Meter, die schneebedeckten Täler unter ihnen funkelten im Sonnenschein. Jetzt lag Bohrturm Rosa in einer Lichtung auf einem kleinen Plateau in 3.800 Metern Höhe vor ihnen. Nur ein paar Wohnwagen und Schuppen, die in wildem Durcheinander um den Bohrturm herumstanden. Und ein Landeplatz.
»Bohrturm Rosa, hier spricht Jean-Luc. Hören Sie mich?« Er wartete geduldig.
»Laut und deutlich, Jean-Luc.« Es war die fröhliche Stimme von Mimmo Sera, dem Leiter der Anlage, einem Techniker, der alle Operationen überwachte. »Was habt Ihr denn Schönes für uns?«
»Niente, Mimmo. Wir haben eine rote Leuchtkugel gesehen und wollen bloß nachschauen, was los ist.«
»Madonna, CASEVAC? Das waren nicht wir.« Sofort legte Scot die Maschine in die Kurve und ging auf den neuen Kurs, tiefer in die Berge hinein. »Bellissima?«
»Wir fliegen hin.«
»Gebt uns Bescheid, ja? Seit dem Sturm haben wir keine Verbindung mehr. Was gibt's Neues?«
»Die letzten Neuigkeiten sind zwei Tage alt: Die BBC hat gemeldet, daß die Unsterblichen in Doschan Tappeh eine Revolte der Luftwaffenkadetten und Zivilisten niedergeschlagen haben. Von unserer Zentrale in Teheran haben wir nichts gehört. Sobald wir etwas erfahren, setzen wir uns mit euch in Verbindung.«
»Da fällt mir ein – Jean-Luc, wir brauchen noch ein Dutzend Ladungen Sechs-Zoll-Rohre und den üblichen Zement ab morgen. Okay?«
» Bien sur .« Jean-Luc freute sich über das zusätzliche Geschäft, außerdem konnten sie bei dieser Gelegenheit beweisen, daß sie besser waren als Guerney. »Wie geht es voran?«
»Wir haben bis in 2.800 Meter Tiefe gebohrt, und es sieht nach einer neuen Goldgrube aus. Ich will das Bohrloch am Montag überprüfen, wenn es geht. Kannst du bei Schlumberger für mich bestellen?« Schlumberger war eine Firma, die die ganze Welt mit sehr präzisen elektronischen Meßgeräten für die Ölvorkommen in den verschiedenen Schichten belieferte. Außerdem produzierte sie alle für den Betrieb eines Bohrlochs erforderlichen Werkzeuge und stellte auch gleich die erforderlichen Fachkräfte zur Verfügung.
»Wo immer sie auch sein mögen, Mimmo, wir bringen sie am Montag – wenn es Khomeini gefällt.«
» Mamma mia , erklär Nasiri, daß wir sie dringend brauchen.«
Der Empfang wurde rasch schlechter.
»Kein Problem. Ich setze mich auf dem Rückweg mit dir in Verbindung.« Jean-Luc warf einen Blick nach draußen. Sie überquerten gerade einen Höhenzug. Immer noch stieg die Maschine, die Triebwerke fingen schon an zu dröhnen. » Merde , ich bin hungrig.« Er streckte sich. »Ich habe das Gefühl, daß man mich mit einem Preßluftbohrer massiert hat! Aber es war ein fabelhaftes Rennen.«
Scot lächelte schweigend. Er konzentrierte sich aufs Atmen. Laut Vorschrift sollten die Piloten über 4.000 Meter Höhe die Sauerstoffmasken aufsetzen, falls sie länger als eine halbe Stunde oben blieben. Doch sie führten nie welche mit, da sie schlimmstenfalls
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