Wirbelsturm
gewohnten Platz. Keiner sagte ein weiteres Wort.
Da unterbrach Kasigi das Schweigen. »Was für einen Brand in Abadan haben Sie gemeint?«
»Ach, entschuldigen Sie«, antwortete Watanabe, der in Wirklichkeit verärgert war, weil Kasigi nichts von diesem wichtigen Ereignis wußte. »Es war vergangenes Jahr im August, während des heiligen Monats Ramadan, in dem kein Gläubiger zwischen Sonnenaufgang und -untergang essen oder trinken darf. Es kam zu Protesten gegen den Schah, vor allem in Teheran und Qom, aber es war nichts Ernstes, die Polizei und die SAVAK wurden leicht damit fertig. Am 15. August aber legten Brandstifter im Rex-Kino in Abadan Feuer. Zufällig waren alle Türen versperrt oder verbarrikadiert, zufällig kamen Feuerwehr und Polizei erst sehr spät, und in der Panik starben 500 Menschen, vor allem Frauen und Kinder.«
»Wie entsetzlich!«
»Ja. Die ganze Nation war empört. Man schob die Schuld sofort der SAVAK in die Schuhe und damit dem Schah. Der Schah aber machte die Linken dafür verantwortlich und schwor, daß weder die Polizei noch die SAVAK etwas damit zu tun hätten. Natürlich ordnete er eine Untersuchung an, die wochenlang lief. Natürlich wurde nie festgestellt, wer dafür verantwortlich war. Aber diese Brandstiftung war der Funke, der die zerstrittenen Oppositionsgruppen unter Khomeini vereinte und die Pahlevis vom Thron stürzte.«
»Wer hat Ihrer Meinung nach das Kino in Brand gesteckt?«
»Wer wollte die Pahlevis vernichten? Was bedeuten einem Fanatiker – gleich welcher Richtung – 500 Frauen und Kinder?«
Assistent Takeo öffnete die Tür. Gefolgt von sechs bewaffneten Männern traten der Ayatollah und der ihn begleitende Zivilist ein. Watanabe und Kasigi standen höflich auf und verbeugten sich.
»Willkommen«, grüßte Watanabe auf Japanisch, obwohl er sehr gut Persisch sprach. »Ich bin Naga Watanabe, führe hier die Aufsicht, und das ist Mr. Kasigi von unserem Hauptbüro in Japan. Mit wem habe ich die Ehre?« Takeo, der perfekt Persisch sprach, begann zu übersetzen, aber der Zivilist, der bereits Platz genommen hatte, unterbrach ihn. » Vous parlez français ?« fragte er Watanabe scharf.
» Iye – nein«, antwortete Watanabe auf Japanisch.
»Ich spreche ein wenig Französisch«, antwortete Kasigi zögernd, »aber Mr. Watanabe und ich beherrschen die englische Sprache besser.«
» Very good«, stellte der Mann fest. »Dann werden wir uns in dieser Sprache unterhalten. Ich bin Muzadeh, stellvertretender Minister für das Gebiet von Abadan, ernannt von Ministerpräsident Bazargan und …«
»Die Gesetze werden nicht von Bazargan, sondern vom Imam erlassen«, unterbrach ihn der Ayatollah scharf. »Der Imam hat Bazargan zum vorläufigen Ministerpräsidenten ernannt, bis unser islamischer Staat mit Allahs Hilfe geschaffen ist. Unter der Führung des Imam«, fügte er vielsagend hinzu.
»Ja, natürlich«, sagte Muzadeh und fuhr fort, als wäre er nie unterbrochen worden, »und teile Ihnen offiziell mit, daß der Iran-Toda-Komplex jetzt unter staatlicher Leitung steht. In drei Tagen wird eine Sitzung stattfinden, bei der das Management und die weiteren Operationen festgelegt werden. Alle bisherigen, unter dem Schah abgeschlossenen Verträge sind ungesetzlich und daher ungültig. Ich werde einen neuen Vorstand ernennen mit mir als Vorsitzendem sowie einem japanischen Arbeiter und Ihnen als Vertreter der Arbeitnehmer.«
»Und mit mir sowie einem Mullah aus Bandar-e Delam«, unterbrach ihn der Ayatollah abermals.
Muzadeh wechselte zornig ins Persische: »Wir können später über die Zusammensetzung des Vorstandes sprechen.« Seine Stimme klang gereizt. »Wichtig ist, daß es eine Arbeitnehmervertretung gibt.«
»Wichtig ist, daß wir das Werk Allahs tun.«
»In diesem Fall sind das Werk des Volkes und das Werk Allahs dasselbe.«
»Nicht, wenn das Werk des Volkes ein Deckname für das Werk des Satans ist.«
Die sechs iranischen Revolutionswächter bewegten sich unruhig. Unwillkürlich hatten sie eine Vierer- und eine Zweiergruppe gebildet. Einer entsicherte vorsichtig sein Gewehr.
»Was sagten Sie?« fragte Watanabe schnell und bemerkte erleichtert, daß sich nun alle Blicke auf ihn richteten. »Sie wollen einen neuen Vorstand bilden?«
»Ja.« Muzadeh riß seinen Blick vom Ayatollah los und fuhr fort: »Sie werden uns Ihre Bücher zur Überprüfung vorlegen und haften persönlich für alle – alle – vergangenen oder künftigen Verbrechen gegen den
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