Wirbelsturm
den Lastwagen. Scragger stand am Rand der Szene und zog sich in eine sicherere Position zurück. Der Ayatollah hob die Arme und wandte sich an die Anwesenden. Watanabe wollte hören, was er sagte, und öffnete das Fenster.
»Im Namen Allahs, liefert eure Waffen ab! Der Imam hat es befohlen – ihr habt alle die Ansprache im Rundfunk gehört. Ich wiederhole: Gehorcht ihm und liefert eure Waffen ab!«
Die Antwort war zorniges Geschrei. Die Männer brüllten einander an und schüttelten drohend die Fäuste. Scragger verschwand unauffällig hinter einem Gebäude.
Watanabe lehnte sich weiter aus dem Fenster. »Der Mann mit dem Gewehr … ich kann nicht erkennen, ob er eine grüne Armbinde trägt – aha, er hat keine, also muß er ein Fedajin oder Tudeh sein.«
Im Hof herrschte jetzt Stille. Unmerklich suchten die Männer bessere Positionen, jeder hatte seine Waffe im Anschlag, jeder beobachtete seinen Nachbarn, alle Nerven waren angespannt. Der Mann, der den Ayatollah und Muzadeh bedrohte, hob seine Waffe und brüllte den Ayatollah an: »Befiehl deinen Männern, die Gewehre wegzulegen!«
Muzadeh, der eine Konfrontation vermeiden wollte, weil seine Anhänger sich in der Minderzahl befanden, trat vor: »Hör auf, Hassan! Du …«
»Wir haben nicht dafür gekämpft, und unsere Brüder sind nicht dafür gestorben, daß die Mullahs uns die Gewehre und die Macht entreißen.«
»Die Regierung besitzt die Macht.« Muzadehs Stimme wurde lauter. »Ihr könnt alle eure Gewehre behalten, aber gebt sie in meinem Büro ab, denn ich vertrete die Regierung.«
»Das ist nicht wahr«, rief der Ayatollah. »Erstens werden in Allahs Namen alle nicht-islamischen Revolutionswächter ihre Gewehre auf den Boden legen und in Frieden gehen, zweitens untersteht die Regierung dem Revolutionskomitee unter der direkten Leitung des Imam, und drittens ist dieser Muzadeh noch nicht in seinem Amt bestätigt und besitzt deshalb überhaupt keine Autorität. Gehorcht, oder wir werden euch entwaffnen.«
»Ich vertrete die Regierung.«
»Das ist nicht wahr.«
»Allah-u Akbar!« schrie einer, drückte auf den Abzug und traf Hassan voll in den Rücken. Der junge Mann drehte sich um seine eigene Achse und brach zusammen. Sofort krachten weitere Gewehre, und die Männer gingen in Deckung oder griffen ihren Nachbarn an. Der Kampf war kurz und heftig. Viele starben, und Muzadehs Männer waren in der Minderzahl. Die hezbollahis kannten kein Erbarmen. Ein paar von ihnen hatten Muzadeh gepackt und ihn auf die Knie gezwungen; er flehte um Gnade.
Den Ayatollah hatten Kugeln in Brust und Bauch getroffen, ein Mann hielt ihn in seinen Armen, sein Gewand war blutbefleckt. Ein Blutfaden sickerte aus seinem Mund in den Bart. »Allah ist groß … Allah ist groß«, murmelte er, dann überfiel ihn jäher Schmerz, und er stöhnte.
Dem Mann, der ihn festhielt, flossen die Tränen über die Wangen. »Meister, berichte Allah, daß wir versucht haben, dich zu schützen.«
»Allah ist groß«, murmelte er.
»Was wird aus Muzadeh?« fragte jemand. »Was sollen wir mit ihm tun?«
»Verrichtet Allahs Werk. Tötet ihn – wie ihr alle Feinde des Islams töten müßt. Es gibt keinen Gott außer Allah …«
Sie gehorchten dem Befehl sofort und grausam. Der Ayatollah starb lächelnd mit dem Namen Allahs auf den Lippen.
24
Luftwaffenbasis Kowiss: 14 Uhr 32. Manuela Starke bereitete in der Küche des Bungalows Chili zu. Country-Musik aus einem batteriebetriebenen Kassettenrecorder erfüllte den Raum. Auf dem Gasherd stand schon ein großer Topf mit Brühe und einem Teil der Zutaten, und als der Eintopf zu kochen begann, drehte sie das Gas zurück, um das Gemisch sieden zu lassen. Die Küche war zwar klein und unbequem, nicht zu vergleichen mit der geräumigen und hochmodernen in ihrem Elternhaus in Lubbock, aber die Enge machte ihr nichts aus. Sie war um jede Beschäftigung froh, die sie von der Frage ablenkte, wann sie ihren Mann wiedersehen würde.
Am Samstag war Conroe mit dem Mullah nach Bandar-e Delam geflogen. Heute ist Dienstag, sagte sie sich beruhigend, es sind also noch nicht einmal drei Tage vergangen. Letzten Abend hatte er über Funk mit ihr gesprochen: »Hallo, Liebling, hier ist alles in Ordnung, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich muß leider gleich wieder aufhören, im Augenblick ist unsere Sendezeit beschränkt. Ich liebe dich, und wir sehen uns bald wieder.« Seine Stimme klang laut und selbstsicher, doch sie spürte in ihr eine
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