Wirbelsturm
nicht hingehen.«
Jared Bakravan, Scharazads Vater, saß in seinem im Obergeschoß gelegenen Büro über dem offenen Laden an der Straße der Geldverleiher. Das Haus befand sich seit fünf Generationen im Besitz der Familie. Seine Spezialität waren Bankgeschäfte und Finanzierungen. Bakravan trank Tee mit seinem alten Freund Ali Kia, dem es gelungen war, an eine hohe Stelle in der Regierung Bazargan berufen zu werden. Bakravans ältester Sohn Meschang saß unmittelbar hinter ihm, um zuzuhören und zu lernen. Er war ein gutaussehender, glattrasierter Mann Mitte 30 und neigte zu behaglicher Körperfülle. Auch Ali Kia war glatt rasiert; auf seiner Nase saß eine Brille. Bakravan, der einen weißen Bart trug, hatte einiges Gewicht angesetzt; er war wie sein Freund Mitte 60 und kannte ihn schon sein ganzes Leben.
»Und wie soll das Darlehen zurückgezahlt werden? In welcher Zeit?« fragte Bakravan.
»Wie immer aus den Öleinkünften«, antwortete Kia geduldig, »wie schon zu Zeiten des Schahs. Laufzeit 5 Jahre, zu den üblichen 12 Prozent. Mein Freund Mehdi, Mehdi Bazargan, hat gesagt, das Parlament wird sofort, nachdem es zusammengetreten ist, das Darlehen garantieren.« Lächelnd und ein wenig übertreibend fügte er hinzu: »Ich hin ja nicht nur Regierungsmitglied; ich sitze auch im engeren Kabinett und kann die Gesetzgebung persönlich überwachen. Du weißt natürlich, wie wichtig das Darlehen für uns und ganz besonders für den Basar ist.«
»Selbstverständlich.« Bakravan zupfte an seinem Bart, um nicht laut herauszulachen. Armer Ali, dachte er, du bist ein Wichtigtuer wie eh und je. »Es steht mir gewiß nicht zu, es auch nur zu erwähnen, aber einige Bazaaris haben mich gefragt, was denn nun mit den Millionen in Gold und Silber ist, die schon für die Revolution gespendet wurden zugunsten von Ayatollah Khomeini – Allah schütze ihn«, fügte er höflich hinzu. In seinem Herzen aber dachte er, Allah möge ihn doch jetzt, wo wir gewonnen haben, so schnell wie möglich zu sich nehmen, bevor er und seine raubgierigen, blindwütigen, schmarotzenden Mullahs zu viel Schaden anrichten. Und was dich angeht, Ali, alter Freund, der du es so liebst, die Wahrheit zu verfälschen und deine eigene Bedeutung maßlos zu übertreiben, du magst mein ältester Freund sein, aber wenn du meinst, ich würde dir weiter trauen, als ein Kamel seinen Kot zu werfen vermag … Als würde einer von uns einem Iraner, der nicht zu seiner Familie gehört, trauen … und selbst den Verwandten mit Vorsicht.
»Natürlich weiß ich, daß der Ayatollah nie einen einzigen Rial gesehen, gebraucht oder gar angerührt hat«, fuhr er fort und meinte es sogar ernst. »Aber wir Bazaaris haben große Mengen Geld, Gold und Devisen für ihn gegeben und seinen Kampf unterstützt – natürlich zur größeren Ehre Allahs und unseres geliebten Vaterlandes.«
»Ja, das wissen wir. Und Allah wird es euch lohnen. Und auch der Ayatollah. Natürlich werden die Darlehen sofort zurückgezahlt, wenn wir das Geld haben – unverzüglich! Von allen inländischen Schulden werden die Darlehen der Teheraner Bazaaris als erste zurückgezahlt. Wir in der Regierung wissen, wie wichtig eure Hilfe gewesen ist. Aber Jared, alter Freund, bevor wir etwas tun können, müssen wir die Ölproduktion wieder in Gang setzen, und dazu brauchen wir etwas Bargeld. Jetzt, wo alle ausländischen Banken an die Kandare gelegt, kontrolliert, wo die meisten geschlossen werden, sind die 5 Millionen Dollar, die wir brauchen, wie ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein.«
»Der Iran braucht keine ausländischen Banken. Wir Bazaaris können alles Nötige tun – wenn man uns darum bittet. Wenn wir fleißig suchen, können wir entdecken, daß wir alles, was wir brauchen, in unserer Mitte haben.« Mit bedachter Eleganz nippte Bakravan an seinem Tee. »Mein Sohn Meschang hat ein Diplom von der Harvard Business School. Mit Hilfe brillanter Studenten, wie er einer ist …«
Ali Kia schnappte sofort nach dem Köder. »Du würdest doch gewiß nicht in Erwägung ziehen, seine Dienste meinem Ministerium für Finanzen und Bankwesen zur Verfügung zu stellen? Dazu ist er doch sicher viel zu wichtig für dich und deine Freunde?«
»Ja, das ist er, das ist er. Aber unser geliebtes Vaterland sollte Vorrang über unsere persönlichen Wünsche haben – vorausgesetzt, die Regierung würde seine einzigartigen Talente nutzen wollen.«
»Gleich morgen werde ich es Mehdi sagen – bei dem
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