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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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treu …«
    »Treu? Warum trägst du keinen Tschador?« hatte er sie angebrüllt. Schon war das halbe Dorf um sie versammelt, schweigend und verängstigt. Ein halbes Dutzend Bewaffnete lehnten auf ihren Waffen, zwei standen über Ross, der mit dem Gesicht nach unten bewußtlos im Schnee lag; Blut tropfte von seiner Stirn. »Ich … ich hatte den Tschador nur zum Essen abgelegt …«
    »In einer Hütte bei geschlossener Tür beim Essen mit einem Fremden hast du deinen Tschador abgelegt? Was hast du denn noch abgelegt?«
    »Nichts, nichts«, antwortete sie und geriet noch mehr in Panik. »Wir haben nur gegessen, und er ist kein Fremder, sondern ein alter Freund von mi… meinem Mann«, verbesserte sie sich rasch, aber der Lapsus blieb nicht unbemerkt. »Abdullah Khan ist mein Vater, und Sie haben kein Recht …«
    »Alter Freund? Wenn du nicht schuldig bist, hast du nichts zu fürchten. Schwör bei Allah, daß du nicht mit ihm geschlafen hast! Schwör es!«
    »Kalandar, schick nach meinem Vater, schick nach ihm!« Der Kalandar rührte sich nicht. »Ich schwöre bei Allah, daß ich meinem Mann treu bin!« schrie sie, und ihr Schreien gab Ross die Besinnung zurück.
    »Beantworte meine Frage, Weib! Hast du mit ihm geschlafen, ja oder nein?« Drohend stand er über ihr. Die Dorfbewohner warteten, alle warteten, die Bäume und der Wind warteten – selbst Allah wartete.
    Inscha'Allah. Ihre Angst verließ sie. Haß trat an ihre Stelle. Sie erhob sich und starrte diesen Mann Mahmud an. »Im Namen Allahs, ich hin meinem Mann treu und bin es immer gewesen«, erklärte sie. »Im Namen Allahs, ja, ich habe diesen Mann geliebt – vor vielen, vielen Jahren.«
    »Dirne! Leichtfertiges Frauenzimmer! Du gibst deine Schuld offen zu. Du wirst bestraft werden, wie es …«
    »Nein!« brüllte Ross. Mühsam kam er auf die Knie. Die zwei Mudjaheddin, die ihm ihre Gewehre an den Kopf hielten, ignorierte er. »Es war nicht die Schuld der Gnädigsten, ich … ich allein habe schuld daran!«
    »Keine Bange, Ungläubiger, du wirst bestraft werden«, sagte Mahmud und wandte sich an die Umstehenden. »Ihr wart alle Zeugen, daß die Dirne ihre Unzucht zugegeben hat. Ihr alle wart Zeugen, daß der Ungläubige seine Unzucht zugegeben hat. Für sie gibt es nur eine Strafe, aber der Ungläubige, welche Strafe soll er erleiden?«
    Die Dorfbewohner warteten. Der Mullah war nicht ihr Mullah, nicht aus ihrem Dorf, und auch kein richtiger Mullah, sondern ein islamischer Marxist. Niemand hatte ihn eingeladen. Seine bewaffneten Begleiter waren Linke, keine wahren Schiiten, Wahnsinnige. Hatte der Imam nicht schon oft gesagt, daß das alles Verrückte waren, nicht wirklich gottesfürchtig, weil sie im geheimen den Satan Marx-Lenin anbeteten?
    »Nun? Soll er ihre Strafe teilen?«
    Niemand antwortete ihm. Der Mullah und seine Männer waren bewaffnet. Azadeh fühlte, wie alle sie anstarrten. Mit zitternden Knien stand sie da, die Stimmen in weiter Ferne, selbst Ross' wütender Protest: »Du hast kein Recht, mich – oder sie – zu verurteilen! Du befleckst den Namen Allahs …« Einer der Männer, die über ihm standen, versetzte ihm einen brutalen Tritt. Ross schlug lang hin, und der Mann setzte ihm den gestiefelten Fuß auf den Nacken, um ihn festzuhalten. »Kastrieren wir ihn doch einfach, und die Sache ist erledigt«, sagte er, aber ein anderer widersprach. »Nein, sie war es ja, die ihn in Versuchung geführt hat. Seht sie nur an, wie sie uns alle in Versuchung führt. Sind nicht hundert Peitschenhiebe die Strafe, die ihm gebührt?«
    Ein dritter meinte: »Er hat sie angefaßt. Hacken wir ihm die Hände ab.«
    »Gut«, sagte Mahmud. »Zuerst die Hände, dann die Peitsche. Bindet ihn.« Azadeh wollte schreien, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Das Blut dröhnte ihr in den Ohren, ihr Magen krampfte sich zusammen, und ihre Sinne drohten sich zu verwirren, als die Männer nun ihren Johnny, der wie rasend um sich schlug, hochrissen und ihn, Arme und Beine gespreizt, an die Balken banden, die aus der Hütte herausragten. Mit einem Aufschrei stürzte sie sich, die Hände zu Krallen gekrümmt, auf Mahmud, aber ihre Kräfte versagten, und sie verlor das Bewußtsein.
    Mahmud blickte auf sie hinab. »Lehnt sie dort an die Wand«, wies er einige seiner Männer an, »und bringt ihr ihren Tschador.« Er musterte die Dorfbewohner. »Wer ist hier der Fleischer? Wer ist hier in diesem Dorf der Fleischer?« Keine Antwort. »Kalandar, wer ist euer

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