Wirbelsturm
und 45 Jahre alt. Die ausländischen Arbeitskräfte am Golf mußten jung, rüstig und, wenn möglich, unverheiratet sein, um das harte Leben hier zu ertragen. Es waren auch ein paar Leute aus Schargas und Angehörige anderer Golfstaaten da, aber nur wohlhabende, verwestlichte, anspruchsvolle Männer. Die meisten saßen in den oberen Logen, tranken Limonade und beobachteten die wenigen Tänzer und ihre europäischen Partnerinnen: Sekretärinnen, Botschaftsangestellte, Groundhostessen, Krankenschwestern und Hotelbedienstete.
Paula tanzte mit Sandor Petrofi, Genny mit Scragger und Johnny Hogg mit dem Mädchen, das auf der Terrasse mit einem Araber verhandelt hatte. »Wie lange bleiben Sie, Alexandra?« murmelte er.
»Nur bis nächste Woche. Dann muß ich zu meinem Mann nach Rio.«
»Oh, so jung und schon verheiratet! Bis dahin sind Sie ganz allein?«
»Ja, Johnny, ganz allein. Traurig, nicht wahr?«
Er antwortete nicht, hielt sie nur ein wenig fester und beglückwünschte sich zu der Beflissenheit, mit der er ihr in der Halle ein Buch aufgehoben hatte, das ihr aus der Hand gefallen war. Er blickte zur Galerie hinauf, wo Gavallan ernst und in Gedanken versunken am Geländer stand, um die Tänzer zu beobachten. Johnny Hogg empfand tiefes Mitgefühl. Nur ungern hatte er den morgigen Nachtflug nach London für ihn gebucht. »Ich weiß, wie die Zeitverschiebung einem zu schaffen macht. Wollen Sie sich morgen nicht lieber ausruhen?«
»Danke, Johnny, aber das geht schon. Morgen um zehn starten wir nach Teheran.«
»Natürlich. Und dann weiter nach Täbris?«
»Ja. Ich hoffe nur, daß das glatt geht – hin und gleich wieder zurück.«
Hogg fühlte nun die Schenkel des Mädchens an den seinen. »Wollen Sie morgen mit mir zu Abend essen? Ich werde gegen sechs wieder zurück sein.«
»Vielleicht – aber nicht vor neun.«
»Ausgezeichnet.«
Gavallan trat nun vom Geländer zurück, stieg die Treppe herunter und schlenderte auf die im Parterre gelegene Terrasse hinaus. Es war eine herrliche Nacht. Am wolkenlosen Himmel stand ein silbrig glänzender Mond. Rundum erstreckten sich zart angestrahlte, sorgsam gepflegte Gärten.
Eine Front dem Golf, die andere der Wüste zugekehrt, war das Schargas das größte Hotel des Scheichtums. Es verfügte über einen achtzehn Stockwerk hohen Turm, fünf Restaurants, drei Bars, eine Cocktail-Lounge, ein Café, die Disco, zwei Schwimmhecken, mehrere Saunas, Tennisplätze und einen Fitneß-Club. Eine Einkaufsstraße beherbergte ein Dutzend Boutiquen und Antiquitätengeschäfte, einen Aaron-Teppichladen, Frisiersalons, eine Videothek und eine Konditorei. Selbstverständlich war das Schargas voll klimatisiert und bot seinen Gästen Telex und Schreibkräfte, Zimmerservice rund um die Uhr, Satellitenfernsehen in allen Zimmern und Telefonverbindungen mit allen Ländern der Erde.
Großartig, dachte Gavallan, und doch ein Getto. Zwar sind die Herrscher hier aufgeklärte und liberale Menschen – Ausländer können nach Herzenslust trinken, ihre Frauen Auto fahren, einkaufen und spazierengehen –, aber ob das auch so bleiben wird? Nur wenige hundert Meter von hier leben die Einwohner Schargas, wie sie seit Jahrhunderten gelebt haben. Nur wenige hundert Meter von hier ist Alkohol verboten, können Frauen nicht allein auf die Straße gehen, müssen ihr Haar, müssen Arme und Schultern bedecken. Vor ein paar Jahren hatte er einen Range-Rover und einen Führer gemietet und war zusammen mit McIver und Genny und seiner zweiten Frau Maureen in die Wüste gefahren, um die Nacht am Rand des Ruh-al-Khali, des unbewohnten Viertels, zu verbringen. Es war ein wunderbarer Frühlingstag gewesen. Wenige Minuten, nachdem sie den Flughafen verlassen hatten, wurde die Straße zu einem Karrenweg, der sich rasch auf steinigem Boden verlor. Immer weiter über sandiges, zuweilen felsiges Terrain, quer durch eine Gegend, wo es niemals regnete und wo nichts gedieh. Als sie endlich hielten und den Motor abstellten, überkam sie die Stille mit geradezu körperlicher Wucht, die Sonne lastete schwer auf ihnen, und der Raum hüllte sie beengend ein.
Blau und dunkel war die Nacht gewesen, riesenhaft leuchteten die Sterne, und sie hatten sich auf weiche Teppiche gebettet. Noch betäubender die Stille, noch gewaltiger der Raum, unfaßbar. »Ich hasse das, Andy«, hatte Maureen geflüstert. »Es ängstigt mich zu Tode.«
»Mich auch. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so.« Rund um die Palmen der Oase erstreckte sich,
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