Wirbelsturm
daß er seine Vögel und seine Jungs herausbringen kann.« McIver nickte und fuhr weiter durch die engen Seitenstraßen, um die Hauptstraßen zu vermeiden, die um diese Zeit wie immer verstopft waren. »Wir sind jetzt nicht mehr weit vom Basar.«
»Scrag hat mir ein Briefchen für dich mitgegeben.«
»Was steht drin, Andy?«
Gavallan griff in seine Aktentasche, holte den Umschlag heraus und setzte seine Brille auf. »Da steht nur: ›Laß dich ausstopfen!‹ Da ist aber auch noch ein ärztlicher Befund, unterzeichnet von Dr. G. Gernin vom Australischen Konsulat in Al Schargas. Cholesterinspiegel normal, lese ich da, Blutdruck 130/85, Zucker normal … alles normal … alles normal. Na wunderbar, ich …«
McIver bremste. Die Straße führte zum Platz vor der Basar-Moschee, aber die Einmündung war mit brüllenden Männern blockiert, von denen viele eine Waffe schwenkten. Es gab keine Möglichkeit abzubiegen oder auszuweichen, und darum verlangsamte McIver das Tempo und blieb stehen. »Es sind wieder die Frauen«, sagte er, als er die wogende Demonstration vor sich sah. Mit unglaublicher Plötzlichkeit staute sich der Verkehr auf beiden Straßenseiten, wütend gellten die Hupen. Hier gab es keine Gehsteige, nur die üblichen mit Abwässern gefüllten joubs und Schneehaufen, dazu einige wenige Straßenbuden, aber jede Menge Fußgänger.
Sie waren von allen Seiten eingeschlossen. Zuschauer drängten nach und verteilten sich zwischen Privatwagen und Lastautos, darunter viele Kinder und Jugendliche. Ein Junge trat gegen einen Kotflügel, ein anderer folgte seinem Beispiel, und alle liefen lachend davon.
»Verdammte Rotzbengel!« Im Rückspiegel sah McIver, wie sich andere Rangen um sie scharten. Immer mehr Männer schoben sich an den Fenstern vorbei, immer mehr feindselige Blicke trafen sie, und manch einer ließ seine Schußwaffe unbekümmert gegen den Wagen schlagen. Vor ihnen überquerten die Demonstrantinnen, »Allah-u Akbar« brüllend, die Kreuzung.
Ein lauter Krach ließ sie zusammenfahren. Ein Stein war gegen den Wagen geknallt und hatte nur knapp das Seitenfenster verfehlt. Gleich darauf begann das Auto zu schwanken, weil neun Straßenjungen es umringt hatten, abwechselnd auf die Stoßstange hüpften und dabei obszöne Gesten machten. Wütend stieß McIver die Tür auf, wobei er zwei der Burschen zu Boden schleuderte, sprang heraus und ging auf die anderen los, die sich sofort zerstreuten. Auch Gavallan stieg aus, nahm sich zwei Jungen vor, die inzwischen hinten versuchten, den Wagen umzuwerfen, und schlug einen zu Boden. Die meisten hatten sich nun zurückgezogen, aber zwei größere Burschen gingen von hinten auf Gavallan los. Er sah sie kommen, schlug dem einen mit der Faust ins Gesicht und schleuderte den anderen gegen einen Laster. Der Fahrer lachte und hämmerte gegen die Tür seines Vehikels. McIver atmete schwer. Auf seiner Seite hatten sich die Burschen ein Stück entfernt und brüllten Schimpfworte herüber.
»Paß auf, Mac!«
McIver duckte sich. Der Stein verfehlte nur knapp seinen Kopf, und die Burschen, zehn oder zwölf an der Zahl, stürmten auf ihn los. Da jeder Fluchtweg abgeschnitten war, hielt McIver seine Stellung neben dem Kühler, und auch Gavallan stand, in höchste Bedrängnis geraten, mit dem Rücken zum Wagen, bereit, sich bis zum Äußersten zu wehren. Einer der Burschen stürzte sich mit einem Holzstück, das er als Knüppel schwang, auf Gavallan, während drei andere von der Seite her angriffen. Gavallan wehrte sie ab, doch der Knüppel traf ihn an der Schulter. Aufstöhnend warf er sich auf den Jungen, schlug ihm ins Gesicht, verlor dabei das Gleichgewicht, rutschte aus und blieb ausgestreckt im Schnee liegen. Die anderen kamen herbeigelaufen, um ihr Opfer zur Strecke zu bringen. Plötzlich aber lag Gavallan nicht mehr von trampelnden Füßen umringt im Schnee. Jemand half ihm auf; ein bewaffneter hezbollahi war es, während die Burschen, von der ungesicherten Maschinenpistole eines anderen hezbollahis bedroht, an der Mauer kauerten und von einem wütenden Mullah angebrüllt wurden. Fußgänger standen herum und glotzten. Noch schreckensbleich sah Gavallan, daß auch McIver weitgehend unverletzt geblieben war und vor dem Wagen stand. Der Mullah kam auf ihn zu und sprach ihn auf Persisch an.
»Nam zaban-e schoma ra khoob namu dunan , Agha – Tut mir leid, ich spreche Ihre Sprache nicht, Exzellenz«, krächzte Gavallan.
Der Mullah, ein alter Mann mit weißem Bart und
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