Wirbelsturm
antwortete ihr. Wieder klopfte sie: viermal kurz, einmal lang. Sofort ging die Tür einen Spalt auf. Teymour hielt ihr eine Pistole vor die Nase, und sie lachte. »Vertraust du denn niemandem mehr, Liebster?« fragte sie auf Arabisch in palästinensischem Dialekt.
»Nein, Sayada, nicht einmal dir«, antwortete er, und erst als er sich überzeugt hatte, daß sie wirklich Sayada Bertolin und allein war, stieß er die Tür weiter auf. Sie nahm Schleier und Schal ab und glitt in seine Umarmung. Er schloß die Tür und versperrte sie wieder. »Nicht einmal dir.« Sie küßten sich gierig. »Du hast dich verspätet.«
»Ich bin pünktlich. Du bist zu früh gekommen.« Sie lachte, löste sich von ihm und reichte ihm ihre Tasche. »Das ist ungefähr die Hälfte. Den Rest bringe ich morgen.«
»Wo hast du den Rest gelassen?«
»In einem Schließfach im Französischen Club.« Sayada Bertolin legte ihren Tschador ab und war eine andere Frau. Sie trug eine gefütterte Schijacke über einem warmen Rollkragenpullover, einen Rock mit Schottenmuster, dicke Strümpfe und hohe Pelzstiefel. »Wo sind die anderen?« fragte sie.
Er lächelte vielsagend. »Ich habe sie weggeschickt.«
»Ach ja. Liebe am Nachmittag. Wann kommen sie zurück?«
»Am Abend.«
»Ausgezeichnet. Aber zuerst eine Dusche! Ist das Wasser noch heiß?«
»Aber ja. Und die Zentralheizung funktioniert, und eine Heizdecke haben wir auch. So ein Luxus! Lochart und seine Frau haben verstanden zu leben. Dieses – wie nennt man das? – Appartement ist eines Paschas würdig.«
Ihr Lachen wärmte ihn. »Du hast ja keine Ahnung, was für ein Pischkesch so eine heiße Brause ist, noch viel schöner als ein Bad – vom Rest ganz zu schweigen.« Sie setzte sich auf einen Stuhl, um ihre Stiefel auszuziehen. »Aber es war der alte Wüstling Bakravan, der zu leben verstand – ursprünglich war diese Wohnung für eine seiner Mätressen.«
»Für dich etwa?« fragte er, ohne es bös zu meinen.
»Nein, mein Liebster, er bevorzugte junge, sehr junge. Ich bin niemandes Geliebte, nicht einmal die meines Gatten. Scharazad hat es mir erzählt. Ja, der alte Jared! Bedauerlich, daß er beim Sterben nicht mehr Glück hatte.«
»Er war ein notorischer Wucherer und Anhänger des Schahs, obwohl er auch Khomeini sehr freigebig unterstützt hat. Er hatte gegen Allahs Gesetze verstoßen und …«
»Die Gesetze von Eiferern, mein Lieber. Du und ich, wir verstoßen ja auch gegen alle möglichen Gesetze, nicht wahr?« Sie erhob sich, küßte ihn flüchtig und ging durch den Korridor über die weichen Teppiche in Scharazads und Locharts Schlafzimmer, und weiter in das luxuriöse, mit Spiegeln versehene Badezimmer. Sie drehte die Brause auf und wartete auf heißes Wasser. »Ich habe diese Wohnung immer geliebt.«
Er lehnte am Türpfosten. »Meine Vorgesetzten danken dir, daß du sie darauf aufmerksam gemacht hast. Wie war's bei der Demo?«
»Gräßlich. Was sind diese Iraner doch für Tiere! Sie beschimpfen uns unflätig, bewerfen uns mit Schmutz, entblößen sich vor uns – und all dies nur, weil wir ein wenig Gleichheit fordern, uns kleiden wollen, wie es uns gefällt, schön sein wollen in der kurzen Zeit, in der wir jung sind.« Sie hielt ihre Hand unter den Wasserstrahl. »Dein Khomeini wird nachgeben müssen.«
Er lachte. »Niemals. Und nur einige wenige sind Tiere, Sayada. Der Rest weiß es besser. Wo bleibt denn deine palästinensische Toleranz?«
»Deine Männer hier sehen immer nur das eine, Teymour. Wenn du eine Frau wärst, würdest du das verstehen.« Wieder prüfte sie die Temperatur, und sie spürte, daß das Wasser heiß wurde. »Höchste Zeit, daß ich nach Beirut zurückkomme – hier habe ich mich noch nie sauber gefühlt.«
»Auch ich bin froh, wenn ich wieder zurück kann. Hier ist der Kampf vorbei, aber nicht in Palästina, im Libanon oder in Jordanien, dort braucht man ausgebildete Kämpfer.«
»Ich bin froh, daß du nach Beirut zurückkommst«, sagte sie, und ihre Augen funkelten. »Man hat mir aufgetragen, in zwei Wochen heimzufahren. Das paßt mir ausgezeichnet – bis dahin kann ich hier immer noch mitmarschieren. Die für Donnerstag geplante Demonstration wird die größte sein.«
»Ich verstehe wirklich nicht, warum du dich damit abgibst. Der Iran ist doch nicht dein Problem, und mit allen euren Versammlungen und Aufmärschen werdet ihr nichts erreichen.«
»Du irrst dich. Khomeini ist kein Dummkopf. Ob ich jetzt an Demonstrationen teilnehme
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