Wirbelsturm
übergab.
»War das ein Brief, Robert?«
»Es sah aus wie ein Päckchen, könnte aber auch ein Brief gewesen sein.« Wieder stieß Armstrong einen Fluch aus, während er sich auf ihre Lippen konzentrierte.
»Was reden sie?« Haschemi wußte, daß Armstrong von den Lippen lesen konnte.
»Ich weiß es nicht! Es ist weder Persisch noch Englisch.«
Haschemi fluchte. Der Mann sprach noch ein paar Worte und ging dann zum Helikopter zurück. Sofort hob der Jagdhubschrauber ab und wirbelte davon. Der andere Mann stapfte zu seinem Chevy zurück. »Und was nun?« fragte Haschemi verbittert.
»Zwei Möglichkeiten: Wir fangen den Wagen ab, wie ursprünglich geplant, und stellen fest, was ›es‹ ist – vorausgesetzt, wir können diese Bastarde außer Gefecht setzen, bevor sie ›es‹ vernichten –, womit wir aber verraten würden, daß wir wissen, wo Seine Hochwohlgeboren zu landen pflegten. Oder wir gehen von der Annahme aus, daß es eine Botschaft für den Khan ist, in der Mzytryk ihm einen neuen Termin vorschlägt.« Er hatte seine Enttäuschung überwunden. Es gehört eben auch Glück dazu, dachte er. Das nächste Mal kriegen wir ihn, und dann führt er uns zu unserem Verräter. »Wir brauchen ihnen nicht einmal zu folgen – er wird gleich zum Khan selbst kommen.«
»Warum?«
»Weil der Khan in Aserbeidschan ein lebenswichtiger Angelpunkt ist – für die Sowjets oder gegen sie –, und darum wollen sie aus erster Hand erfahren, wie schlecht es um sein Herz steht. Und wen er zum Regenten bestimmt hat, bis der Kleine großjährig ist. Mit dem Titel sind doch auch die Macht, die Ländereien und der Reichtum verbunden, nicht wahr?«
»Und die Schweizer Nummernkonten. Ein Grund mehr, um gleich zu kommen.«
»Ja, aber vergiß nicht, daß in Tiflis etwas passiert sein könnte, was schuld ist an der Verzögerung. Die Russen haben vom Iran genauso die Nase voll wie wir.« Der Mann kletterte wieder in den Chevy, der Fahrer ließ den Motor an und kehrte zur Hauptstraße zurück. »Gehen wir zu unserem Wagen hinunter.«
Auf der Straße Julfa – Täbris herrschte starker Verkehr, einige Scheinwerfer waren bereits eingeschaltet. Ihre Opfer hätten einem Hinterhalt kaum entgehen können. »Da gibt es auch noch eine andere Möglichkeit, Haschemi. Mzytryk könnte erfahren haben, daß sein Sohn ihn verraten hat, und schickt darum dem Khan eine Warnung. Vergiß nicht, daß wir immer noch nicht wissen, was mit Rákóczy passiert ist, seitdem dein vor kurzem dahingeschiedener Freund, General Janan, ihn laufen ließ.«
»Das hätte der Hund nie von sich aus getan«, sagte Haschemi mit einem verzerrten Lächeln. Noch einmal verspürte er die starke Genugtuung, mit der er auf den Knopf gedrückt und mitangesehen hatte, wie die explodierende Autobombe diesen Feind, zusammen mit seinem Haus, seiner Zukunft und seiner Vergangenheit vernichtete. »So etwas müßte Abrim Pahmudi befehlen.«
»Aber warum?«
Haschemis Blick verschleierte sich. Er musterte Armstrong, konnte aber keine Arglist in seinen Augen entdecken. Du kennst zu viele Geheimnisse, Robert, dachte er. Du weißt von den Tonbändern, von meiner Gruppe 4 und daß ich es war, der Janan zur Hölle geschickt hat – wo ihm der Khan bald Gesellschaft leisten wird und in ein paar Tagen auch Talbot. Und nicht zuletzt du, alter Freund, wann immer es mir paßt. Soll ich dir erzählen, daß Pahmudi den Befehl gegeben hat, Talbot für seine Verbrechen gegen den Iran zu bestrafen? Oder soll ich dir gestehen, daß ich diesem Befehl mit Vergnügen nachkomme? Seit Jahren schon wollte ich Talbot aus dem Weg geräumt sehen, habe es aber nicht gewagt, allein gegen ihn vorzugehen. Jetzt trägt Pahmudi die Verantwortung, möge Allah ihn strafen, und nun wird es bald einen Störfaktor weniger für mich geben. O ja, und nächste Woche ist Pahmudi selbst dran, und du, Robert, wirst der dazu auserwählte Mörder sein, der vermutlich selbst dabei draufgeht. Einen meiner richtigen Killer ist mir Pahmudi nicht wert.
»Pahmudi ist der einzige, der Rákóczys Freilassung angeordnet haben könnte«, sagte er. »Bald werde ich wissen, was ihn dazu bewogen hat, und wo Rákóczy sich befindet. Entweder in der Botschaft der Sowjetunion oder in einer konspirativen Wohnung der Russen oder in einem ›Vernehmungszimmer‹ der SAVAMA.«
»Oder er hat mittlerweile das Land verlassen.«
»Dann ist er sicher tot. Der KGB duldet keine Verräter.« Haschemi lächelte höhnisch. »Was willst du
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