Wirbelsturm
verschwand die Sonne hinter dem Horizont. »Friede sei mit Ihnen, Pilot.«
»Und mit Ihnen, Kalandar, Allah beschütze Sie! Der Umschlag, den ich meinem französischen Piloten gab – haben Sie gesehen, wie ich ihn ihm gab?«
»Ja, das habe ich gesehen.«
»Dies war ein Brief an das Revolutionäre Komitee in Schiras mit einer Durchschrift an den iranischen Kalandar in Dubai jenseits des Golfes, geschrieben und unterzeichnet von dem jungen Piloten und von mir beglaubigt. Darin berichtet er peinlich genau, was auf dem Dorfplatz von Yazdik geschehen ist, was wem von wem angetan und wer erschossen wurde. Auch gibt er die Zahl der hezbollahis an, die auf den Lastwagen gebunden wurden, bevor man sie in die Kamelschlucht stürzte, ferner die Art, wie Nasiri ermordet wurde und …«
»Lügen, alles Lügen! Beim Propheten, was soll das Wort ›ermordet‹? Nur Banditen morden. Der Mann starb – wie es Allah gefallen hat«, fügte der Khan mürrisch hinzu. »Er war ein notorischer Anhänger des teuflischen Schahs, dem Sie sicher bald in der Hölle begegnen werden.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht hat mein loyaler Mitarbeiter, der hier von feigen Hunden ermordet wurde, dem einzigen Gott schon alles berichtet, und der einzige Gott wird wissen, wer die Wahrheit spricht.«
»Er war kein Moslem und er hat nicht dem Islam gedient.«
»Er war Christ, und auch Christen dienen dem einzigen Gott. Mein Kamerad wurde von Feiglingen aus dem Hinterhalt ermordet, von feigen Hundesöhnen, Kotfressern, verfluchten Männern der linken Hand. Er wurde ermordet, so wie der andere Christ beim Bohrturm ermordet wurde. Bei Gott und seinem Propheten, die Toten werden gerächt werden!«
Nitchak Khan hob die Schultern. »Terroristen«, polterte er, von ängstlicher Beklommenheit erfüllt. »Terroristen haben das getan, natürlich waren es Terroristen. Und was den Brief angeht, es ist alles gelogen, der Pilot ist ein Lügner, wir wissen alle, was auf dem Dorfplatz geschehen ist, alles nur Lügen.«
»Um so mehr würde es sich empfehlen, den Brief nicht an die Adressaten gelangen zu lassen.« Lochart wählte seine Worte mit viel Bedacht. »Daher sollten Sie mich vor den Terroristen schützen, wenn ich jetzt starte. Nur ich kann veranlassen, daß diese Schreiben nicht zugestellt werden.« Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als der Alte jetzt eine Zigarette herausholte, sorgfältig das Für und Wider abwog und die Zigarette mit Jordons Feuerzeug anzündete. Noch einmal fragte sich Lochart, wie er Rache für Effer Jordons Ermordung üben sollte. Das war noch immer der ungelöste Teil jenes Planes, der bisher so hervorragend geklappt hatte: Den allzu wachsamen Nitchak Khan hatte man ein Weilchen herumgeflogen, Scot Gavallan währenddessen in den Sarg gelegt und später formell an Bord von Jean-Lucs 212 gehievt. Der in ein Leichentuch gehüllte Jordon lag in einer länglichen Kiste, die einst Rotorblätter enthalten hatte. Auch das mit dem Brief und dem gleichzeitigen Start der drei Helis – alles war perfekt geplant.
Und jetzt war es an der Zeit, zu Ende zu kommen. Ein gutes Stück außer Schußweite kreiste Ayre auf Position. »Salaam, Kalandar, Allahs Gerechtigkeit sei mit Ihnen!« sagte Lochart und ging auf das Cockpit seiner Maschine zu.
»Ich habe keine Macht über Terroristen!« Und als Lochart nicht stehenblieb, rief Nitchak Khan noch lauter: »Warum sollten Sie die Zustellung dieser Lügen verhindern, äh?«
Lochart stieg ins Cockpit. »Weil ich Lügen verabscheue, bei Allah!«
»Und Sie würden – bei Allah – veranlassen, daß diese Lügen nicht weitergegeben werden?«
»Bei Allah, ich werde die Briefe verbrennen lassen. Allahs Gerechtigkeit sei mit Ihnen, Kalandar, und mit Yazdik!« Er drückte den Startknopf. Die erste Turbine zündete, und die Rotorblätter begannen sich zu drehen. Noch mehr Schalter – jetzt zündete auch die zweite Turbine. Die ganze Zeit beobachtete Lochart dabei Nitchak Khan. In der Hölle sollst du braten, alter Mann, dachte er.
Er wartete. Alle Anzeigen waren im grünen Bereich. Abheben.
Der Kalandar sah zu, wie sich der Helikopter in die Luft erhob, sich langsam drehte und entfernte. So leicht wäre es, die Hand zu heben, dachte er, und der Ungläubige und dieses heulende Monstrum würden brennend vom Himmel fallen. Der Brief? Alles nur Lügen. Zwei Tote? Ihre eigene Schuld, daß sie tot sind, das wissen doch alle. Haben wir sie eingeladen? Nein, sie sind gekommen, um unser Land
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