Wirbelsturm
Sie sah, wie ihr Bruder sich jetzt an Lochart wandte. »Also, Captain, deine Rechnungen vom Vorjahr, die Rechnungen, die mein Vater bezahlt hat, nicht eingerechnet die noch ausstehenden, sind wesentlich höher als dein Gehalt. Ist das richtig?«
Scharazads Gesicht brannte vor Scham und Zorn, und noch bevor Lochart antworten konnte, richtete sie mit honigsüßer Stimme das Wort an ihren Bruder: »Liebster Meschang, es ehrt dich, daß du dir über uns Sorgen machst, aber die Wohn…«
»Sei du bitte ruhig! Ich frage deinen Mann, nicht dich. Es ist sein Problem und nicht deines. Nun, Captain.«
»Aber liebster Meschang …«
»Sei still! Also, Captain, ist das richtig oder nicht?«
»Ja, das ist richtig«, gab Lochart zurück, verzweifelt bemüht, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. »Aber du wirst dich erinnern, daß Seine Exzellenz mir die Wohnung, besser gesagt das ganze Haus, geschenkt hat. Die anderen Mieten deckten die Rechnungen, und der Rest war als Taschengeld für Scharazad bestimmt. Was die Zukunft angeht, werde ich selbstverständlich für Scharazad sorgen.«
»Womit denn? Ich habe deinen Scheidungsvertrag gelesen, und aus dem geht klar hervor, daß du im Hinblick auf die Zahlungen, die du an deine erste Frau und dein Kind zu leisten hast, nur sehr geringe Möglichkeiten hast, meine Schwester davor zu bewahren, in Armut leben zu müssen.«
Lochart erstickte fast vor Wut. Scharazad rückte auf ihrem Stuhl herum, und Lochart sah ihre Angst und mußte sich beherrschen, Meschang nicht zusammenzuschlagen. »Es ist alles in Ordnung, Scharazad. Dein Bruder hat das Recht zu fragen. Es ist fair, er hat das Recht.« Er las die Selbstgefälligkeit in dem scharfgeschnittenen attraktiven Gesicht und wußte, daß die Kampfansage angenommen worden war. »Wir kommen zurecht, Meschang. Ich komme zurecht. Unsere Wohnung wird ja nicht ewig requiriert bleiben, oder wir können uns eine andere nehmen. Wir …«
»Es gibt keine Wohnung und es gibt kein Haus mehr. Es ist am Samstag abgebrannt und wurde völlig zerstört.«
Sie starrten ihn an. »O Gott!« murmelte Lochart.
»Du solltest besser nicht lästern«, versetzte Meschang, dem es schwerfiel, sich seine Schadenfreude nicht anmerken zu lassen. »Es bleibt dir also keine Wohnung, kein Haus, nichts. Inscha'Allah.«
»Die Versicherung!« stieß Lochart hervor. »Es muß eine Feuerversicherung …«
Schallendes Gelächter. Scharazad stieß ein Glas Wasser um, aber niemand merkte es. »Du glaubst also, der Schaden würde von einer Versicherung gedeckt werden? Jetzt? Selbst wenn es eine gegeben hätte … Du hast den Verstand verloren! So ist das also, Captain: Viele Schulden, kein Geld, kein Kapital, kein Haus – nicht daß es legal je deines gewesen wäre; Vater arrangierte das in dieser Form, um dir die Möglichkeit zu geben, dein Gesicht zu wahren und gleichzeitig die Mittel zur Verfügung zu haben, um Scharazad standesgemäß zu erhalten.« Er steckte sich ein Stück von der Nachspeise in den Mund. »Und was willst du jetzt tun?«
»Ich werde zurechtkommen.«
»Sag mir bitte, wie. Und sag es auch Scharazad, denn sie hat das gesetzliche Recht, es zu erfahren. Wie?«
Scharazad murmelte: »Ich habe Schmuck, Tommy, den ich verkaufen kann.«
Grausam ließ Meschang die Worte im Raum stehen, hocherfreut darüber, daß Lochart in die Enge getrieben war, erniedrigt, bis auf die Haut entblößt. Dieser armselige Ungläubige! Hätte es nicht diese Locharts in unserer Welt gegeben, diese raubgierigen Fremden, die Ausbeuter des Irans, nie wären Khomeini und seine Mullahs über uns gekommen, mein Vater würde noch leben und Scharazad mit einem anständigen Mann verheiratet sein. »Nun?«
»Was schlägst du vor?« fragte Lochart, der keinen Ausweg sah.
»Was schlägst du vor?«
»Ich weiß es nicht.«
»Fassen wir zusammen: Du hast kein Haus, gesalzene offene Rechnungen und kein Geld, sie zu begleichen, geschweige denn Rücklagen – und du wirst bald arbeitslos sein. Ich bezweifle, daß man deiner Firma gestatten wird, noch lange hier zu operieren. Ausländische Gesellschaften werden nicht mehr gebraucht, sie sind weder erwünscht noch notwendig.«
»In diesem Fall kündige ich eben und fliege Helis für iranische Gesellschaften. Sie werden sofort Piloten brauchen. Ich spreche Persisch, und ich bin ein erfahrener Pilot und Ausbilder. Der Imam wünscht, daß die Ölproduktion normalisiert wird – natürlich wird man Piloten brauchen.«
Meschang lachte
Weitere Kostenlose Bücher