Wirbelsturm
betrachtete ihren Vater. Sie erkannte ihn kaum wieder. Auch jetzt kann er uns noch vernichten, Hakim und mich – er hat ja immer noch diesen Ahmed. »Sollte man ihn nicht besser nach Teheran bringen?«
»Bei einem neuerlichen Schlaganfall ganz gewiß.« Schwester Bain fühlte ihm den Puls. »Aber im Augenblick würde ich nicht empfehlen, ihn zu bewegen. Nein, jetzt noch nicht.« Sie machte eine Notiz auf das Krankenblatt und streifte Azadeh mit einem Blick. »Sie könnten der Dame sagen, daß sie nicht hierbleiben muß, sie sollte sich besser ausruhen, das arme Kind.«
»Tut mir leid, aber da darf ich mich nicht einmischen. Das ist auch so ein Brauch. Halten Sie … halten Sie einen neuen Anfall für wahrscheinlich?«
»Das weiß man nie, Mädchen, das weiß nur der liebe Gott. Wir können nur hoffen.« Sie sah sich um, als die Tür aufging. Hakim strahlte sie an. Azadehs Augen leuchteten auf. »Bitte rufen Sie mich, sobald Seine Hoheit erwacht«, sagte sie zur Krankenschwester, eilte durch das Zimmer in den Gang hinaus, schloß die Tür hinter sich und umarmte ihn. »O Hakim, Lieber, es hat lange gedauert«, flüsterte sie atemlos. »Ist es wirklich wahr?«
»Ja, ja, es ist wahr, aber …« Er hielt inne, da er Schritte hörte. Ahmed und ein Wächter kamen den Gang herauf auf sie zu. »Ich bin froh, daß du wieder da bist, Ahmed«, begrüßte Hakim ihn höflich. »Auch der Khan wird sich freuen.«
»Danke, Hoheit. Ist in meiner Abwesenheit etwas vorgefallen?«
»Nichts, außer daß Oberst Fazir heute morgen Vater sprechen wollte.«
Ahmed überkam ein Frösteln. »Wurde er vorgelassen?«
»Nein. Du hast ja Anweisung gegeben, ohne ausdrücklichen Wunsch des Khans niemanden vorzulassen, und da er gerade schlief … Er schläft fast den ganzen Tag, ich sah jede Stunde nach, und auch die Schwester sagte, daß sein Zustand sich nicht verändert hat.«
»Gut. Danke. Hat der Oberst eine Nachricht hinterlassen?«
»Nur, daß er heute nach Julfa fahren wollte – wie mit seinem ›Kollegen‹ vereinbart. Sagt dir das etwas?«
»Nein, Hoheit«, log Ahmed verbindlich.
Bevor er etwas hinzufügen konnte, erklärte Hakim: »Wir werden im Blauen Salon warten. Bitte laß uns rufen, sobald mein Vater erwacht.«
Ahmed sah ihnen nach, dem großen, gutaussehenden jungen Mann und seiner gertenschlanken, begehrenswerten Schwester. Verräter? Das herauszufinden blieb nicht mehr viel Zeit, dachte er. Er ignorierte die mißbilligenden Blicke der Schwester, kauerte sich nieder und begann seine Wache.
Was wollte dieser Hundesohn Fazir? fragte er sich. Als Haschemi Fazir am Freitag mit Armstrong und ohne Mzytryk aus Julfa zurückgekommen war, hatte er zornig den Khan zu sprechen verlangt. Ahmed war dabei gewesen, als der Khan sie empfangen und sich ebenso verblüfft wie sie gezeigt hatte, daß Mzytryk nicht mit dem Hubschrauber gekommen war. »Versuchen Sie es morgen wieder. Wenn mir der Mann einen Brief bringt, können Sie ihn lesen«, hatte der Khan gesagt.
»Danke, aber wir warten lieber. Der Chevy war nicht weit hinter uns.«
Eine Stunde später war der Chevy gekommen. Er selbst hatte den Fahrer eingelassen, während sich Haschemi und der Persisch sprechende Ungläubige im Zimmer nebenan auf die Lauer legten. »Ich habe ein vertrauliches Schreiben für Seine Hoheit«, erklärte der Russe.
Im Krankenzimmer sagte er: »Ich soll es Ihnen nur überreichen, wenn Sie allein sind, Hoheit.«
»Sie können es mir gleich geben. Ahmed ist mein Vertrauter. Geben Sie her.« Nur zögernd gehorchte der Mann, und Ahmed erinnerte sich, wie eine fiebrige Röte dem Khan, kaum daß er zu lesen begonnen hatte, ins Gesicht stieg.
»Wünschen Sie mir eine Antwort mitzugeben?« fragte der Russe.
Der Khan schüttelte nur wütend den Kopf, schickte den Mann fort und gab Ahmed den Brief zu lesen. Da hieß es: ›Mein Freund, mit großer Betroffenheit habe ich von Ihrer Erkrankung erfahren. Ich wäre jetzt hei Ihnen, kann aber nicht kommen, weil mich dringende Geschäfte hier festhalten. Ich habe schlechte Nachrichten für Sie: Es könnte sein, daß Sie und Ihr Spionagering an den Inneren Sicherheitsrat oder die SAVAMA verraten werden – wußten Sie, daß dieser Überläufer Abrim Pahmudi jetzt diese Neuausgabe der SAVAK leitet? Wenn Sie an Pahmudi verraten werden, sollten Sie unverzüglich die Flucht ergreifen, wenn Sie nicht das Innere einer Folterkammer kennenlernen wollen. Ich habe unsere Leute angewiesen, Ihnen zu helfen, wenn die Lage
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