Wirbelsturm
Gesichtszüge seines Gegenübers. Suliman war der tüchtigste, verläßlichste und gefährlichste Mann, der offiziell eine kleine Stellung als Agent des Inneren Sicherheitsrates bekleidete und ihm direkt unterstand. Suliman behauptete, aus dem Dschebelesch Schargi östlich von Beirut zu kommen, wo seine Familie ermordet und er selbst von christlichen Milizionären vertrieben worden war. Haschemi hatte ihn vor fünf Jahren aus einem syrischen Gefängnis geholt und in seine Dienste genommen. Er war wegen Straßenraub und Mord auf beiden Seiten der Grenze zum Tod verurteilt worden. Seine Verteidigung hatte gelautet: »Ich habe nur Juden und Ungläubige getötet, wie Allah es befohlen hat; also habe ich Allahs Werk getan. Ich bin ein Rächer.«
»Was für einen Vorschlag?«
»Sie ist ein ganz gewöhnlicher PLO-Kurier, kein sehr guter und in ihrer gegenwärtigen Verfassung gefährlich, möglicherweise sogar eine Bedrohung. Sie könnte leicht von den Israelis oder von der CIA abgeworben und gegen uns eingesetzt werden. Mein Vorschlag wäre, ich sage ihr, daß es Zeit für sie ist, nach Beirut zurückzukehren, und daß wir, da wir sie bei ihrer Hurerei ertappt haben, von ihr wollen, daß sie dort für uns arbeitet. Wir lassen sie dann ein privates Gespräch mitanhören, bei dem wir so tun, als wären wir Teil einer Zelle christlicher Milizen aus dem Südlibanon, die, israelischen Befehlen gehorchend, für ihre Herren von der CIA arbeiten.« Als er das überraschte Gesicht seines Dienstherrn sah, lachte er.
»Und dann?«
»Was würde eine palästinensische Koptin, eine lauwarme Gegnerin Israels, zu einer fanatischen, rachedurstigen, haßerfüllten Teufelin machen?«
»Na, was?«
»Nehmen wir an, Mitglieder dieser christlichen Milizen, die unter israelischem Befehl für ihre Herren von der CIA arbeiten, würden einen Tag vor ihrer Rückkehr ihrem Sohn vorsätzlich Verletzungen, schwere Verletzungen, zufügen und gleich danach verschwinden. Würde sie das nicht zu einer erbitterten Feindin unserer Feinde machen?«
Haschemi zündete sich eine Zigarette an, um seinen Ekel zu überspielen. »Ich teile deine Meinung, daß ihre Brauchbarkeit ein Ende gefunden hat.« Er sah in Sulimans Augen etwas wie Verärgerung aufblitzen.
»Welchen Wert hat ihr Kind und welche Zukunft?« gab Suliman geringschätzig zurück. »Bei einer solchen Mutter? Und wenn es bei christlichen Verwandten lebt, wird es ein Christ bleiben und zur Hölle fahren.«
»Israel ist unser Verbündeter. Halte dich aus dem Nahen Osten heraus, wenn du nicht gefressen werden willst. Ich verbiete es dir.«
»Wenn Sie es verbieten, ist es verboten, Herr.« Suliman verneigte sich und nickte zustimmend. »Ich schwöre es beim Leben meiner Kinder.«
»Schön. Du hast deine Sache heute gut gemacht. Ich danke dir.« Er ging zum Safe und holte ein Bündel Dollarnoten heraus. Er sah, wie Sulimans Züge aufleuchteten. »Hier hast du eine Sonderzulage für dich und deine Leute.«
»Danke, danke, Exzellenz. Allah schütze Sie! Dieser Armstrong ist praktisch schon tot.« Ein sehr dankbarer Suliman verneigte sich abermals und ging. Ein Vermögen für Suliman und seine drei Henkersknechte, diese 1.000 Dollar, aber eine lohnende Investition, dachte Fazir. O ja. Ich bin froh, daß ich wegen Robert eine Entscheidung getroffen habe. Robert weiß zu viel, ahnt zu viel – war er es doch, der bestimmt hat, was meine Teams tun sollen. »Die Teams der Gruppe 4 müssen für einen guten und nicht für einen schlechten Zweck gebraucht werden, Haschemi«, hatte Armstrong in seiner besserwisserischen Art gesagt. »Ich warne dich. Die Macht könnte ihnen zu Kopf steigen und auf dich zurückschlagen. Denk an den Alten vom Berge!«
Haschemi hatte gelacht, um seinen Schock zu verbergen: Armstrong hatte in sein Innerstes geblickt. »Was hat Ibn-Sabbah mit mir zu tun? Wir leben im 20. Jahrhundert, und ich bin kein religiöser Fanatiker. Und was noch wichtiger ist, Robert, ich besitze auch keine Festung Alamut!«
»Aber immer noch gibt es Haschisch – sogar wirksameres.«
»Ich brauche keine Süchtigen, nur Männer, denen ich vertrauen kann.« Die Bezeichnung Assassinen leitete sich von haschaschin, Haschisch-Genießer, ab. Der Legende nach hatte Hasan ibn-Sabbah in seiner uneinnehmbaren Festung in den Bergen unweit von Qazvin heimliche Gärten angelegt, ähnlich den Gärten des Paradieses, wie sie im Koran beschrieben sind, wo Milch und Honig floß und schöne und willige Mädchen ihre
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