Wirbelsturm
Starke war nicht weiter in ihn gedrungen. Dennoch machte ihn der Gedanke daran, wie ihre 212 einfach losfliegen sollten, große Sorgen. Sie hatten keinen richtigen Plan, nur verschiedene Möglichkeiten. Es kostete ihn Mühe, sich zu konzentrieren. »Entschuldigen Sie, Agha, was sagten Sie?«
»Wann kommen die Ersatzleute?«
»Am Samstag, wenn alles nach Plan geht.«
»Esvandiari sagt, Sie haben viele Ersatzteile weggeschickt.«
»Auch Ersatzteile müssen gewartet und von Zeit zu Zeit ersetzt werden, Agha.«
Hussain musterte ihn und nickte nachdenklich. »Wie kam es zu dem Unfall, der Esvandiari beinahe das Leben gekostet hätte?«
»Die Ladung ist verrutscht. Es war eine sehr heikle Operation.«
Ein kurzes Schweigen. »Wer ist dieser Kia, Ali Kia?«
Starke hatte keine dieser Fragen erwartet, hätte aber gerne gewußt, ob er wieder verhört wurde und wieviel dem Mullah bekannt war. »Man hat mir gesagt, er sei ein Minister in Ministerpräsident Bazargans Kabinett – auf Inspektionsreise. Und auch, daß er ein Berater unseres Gemeinschaftsunternehmens IHC gewesen sei, vielleicht sogar ein Direktor. Aber davon weiß ich nichts.«
»Wann kommt er?«
»Da bin ich nicht sicher. Unserem Direktor, Captain McIver, wurde befohlen, ihn zu begleiten.«
»Befohlen?«
»Befohlen, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Warum sollte ein Minister als Berater einer privaten Gesellschaft tätig sein?«
»Ich fürchte, das werden Sie ihn selbst fragen müssen, Agha.«
»Das glaube ich auch.« Hussains Gesichtszüge verhärteten sich. »Der Imam hat geschworen, der Korruption ein Ende zu setzen. Wir werden zusammen zum Stützpunkt gehen.« Er nahm die AK 47 auf und hängte sie sich um. »Salaam«, verabschiedete er sich von seiner Familie.
Starke und der hezbollahi folgten Hussain bis zu einem Seiteneingang der Moschee. Dort schüttelte der Mullah die Schuhe von den Füßen, hob sie auf und ging hinein. Starke und der hezbollahi taten es ihm gleich; Starke nahm auch seine Mütze ab. Es ging einen Gang hinunter und durch eine zweite Tür, dann befanden sie sich in der Moschee selbst, einem größeren Raum unter der Kuppel, schmucklos, aber mit Teppichen ausgelegt. Sie sahen ein Lesepult mit einem offenen Koran, daneben ein modernes Kassettengerät und Lautsprecher. Aus den Lautsprechern kam der gedämpfte, eintönige Singsang eines Mannes, der aus dem Koran las.
Die einen beteten, andere schwatzten, einige schliefen. Die ihn sahen, lächelten Hussain zu, und er erwiderte ihr Lächeln, während er einem von Säulen getragenen Alkoven zustrebte. Hier blieb er stehen, legte Schuhe und Gewehr nieder und bedeutete dem hezbollahi, sich zu entfernen.
»Haben Sie noch über alles nachgedacht, worüber wir bei der Vernehmung gesprochen haben, Captain?«
»In welcher Beziehung?«
»Über den Islam, über den Imam, Allahs Friede sei mit ihm, und über einen Besuch bei ihm.«
»Es ist mir unmöglich, ihn zu besuchen, selbst wenn ich wollte.«
»Vielleicht könnte ich das in die Wege leiten. Wenn Sie den Imam sehen, mit ihm sprechen, ihm zuhören könnten, würden Sie den Seelenfrieden finden, den Sie suchen. Und die Wahrheit.«
Starke war von der augenfälligen Aufrichtigkeit des Mullahs gerührt. »Wenn ich die Gelegenheit hätte, ich würde sie ganz gewiß … wahrnehmen. Sie sprachen von drei Gründen, Agha.«
»Das war der dritte. Der Islam. Werden Sie Moslem! Sie haben keinen Augenblick mehr zu verlieren! Unterwerfen Sie sich Allah, akzeptieren Sie, daß es nur Ihn gibt und daß Mohammed sein Prophet ist!«
Die Augen waren dunkel und durchdringend, nahezu hypnotisch.
»Ich sagte es Ihnen schon, Agha. Vielleicht werde ich … zu gegebener Zeit.« Starke wandte den Blick ab und fühlte, wie die beherrschende Kraft des Mullahs nachließ. »Wenn wir zurück wollen, sollten wir jetzt lieber gehen, Agha. Ich möchte nicht versäumen, mich von meinen Jungs zu verabschieden.«
Es war, als ob er in den Wind geredet hätte. »Ist denn der Imam nicht der heiligste aller Männer, der tapferste und treueste Kämpfer gegen die Unterdrückung? Genau das ist er, Captain! Öffnen Sie ihm Ihre Augen und Ihren Geist!«
Starke hörte die inbrünstige Emphase, und wieder beunruhigte ihn das scheinbare Sakrileg. »Ich warte geduldig.« Die Augen des Mullahs schienen durch ihn hindurch und durch die Mauer bis in die Unendlichkeit zu blicken. »Wenn wir gehen wollen, müssen wir jetzt gehen«, sagte Starke, so sanft er
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