Wirbelsturm
Augenblick, bleiben Sie dran!« Er reichte ihr den Apparat. »Er möchte dir guten Tag sagen.«
»Hallo, Andy, was gibt es Neues?«
»Rudi, Pop Kelly und Sandor sind von Bahrain aus unterwegs. Wir stehen in Funkverbindung mit ihnen. Johnny Hogg ist unsere Relaisstation. Sie sollten in 20 Minuten hier sein. Scrag geht es gut, Ed und Willi auch, Duke schläft und Manuela ist bei mir …«
»Was ist mit Marc Dubois und Fowler?«
Eine Pause. »Noch nichts. Wir hoffen, daß sie inzwischen aufgelesen wurden. Rudi, Sandor und Pop sind zurückgeflogen und haben gesucht, solange sie konnten. Sie haben kein Wrack gesichtet. In den dortigen Gewässern gibt es eine Menge Schiffe. Wir warten ab.«
»Und jetzt erzähl mir, was Charlie wissen darf und ich nicht.« Sie hörte Gavallan seufzen.
»Du bist ein Biest, Genny. Ich habe Charlie gefragt, ob auch bei euch schon so ein Telex eingetroffen ist wie hier, in Dubai und Bahrain. Sollte etwas schieflaufen, würde ich über Newbury und unsere Botschaft in Kuwait alle Hebel in Bewegung setzen, obwohl Newbury meint, man müsse sich da nicht zuviel versprechen. Kuwait möchte Khomeini auf keinen Fall verprellen; der Scheich fürchtet, der Imam könnte ein paar Fundis mit dem Auftrag nach Kuwait exportieren, die dortigen Schiiten aufzuhetzen. Und dann habe ich Charlie gesagt, daß ich versuche, Ross' Eltern in Nepal und sein Regiment zu informieren. Das war's.« Und in herzlicherem Ton fügte er hinzu: »Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen. Alles klar?«
»Ja, danke. Ich … mir geht's gut.« Sie reichte den Apparat zurück und betrachtete ihr Glas, das sich beschlagen hatte und von dem langsam Tropfen herabliefen. Wie die Tränen auf meinen Wangen, dachte sie und stand auf. »Bin gleich wieder da.«
Traurig sah Pettikin ihr nach. »Ja, ja, natürlich«, sagte er zu Gavallan. »Machen Sie sich keine Sorgen, Andy. Ich werde … ich werde mich um Ross kümmern, und ich verständige Sie sofort, wenn wir die Helis auf dem Schirm haben. Schreckliche Sache, das mit Dubois und Fowler. Wir können nur hoffen … Leben Sie wohl!«
Die Begegnung mit Ross hatte ihn erschüttert. Gleich nachdem er heute früh Gavallans Anruf entgegengenommen hatte, war er ins Krankenhaus geeilt. Weil Freitag war, der islamische Feiertag, saß ein einziger Angestellter in der Anmeldung, und der sprach nur Arabisch. Er lächelte, zuckte mit den Achseln und sagte immer wieder: » Bokrah « – morgen. Aber Pettikin ließ nicht locker, und schließlich kam ein Krankenpfleger und winkte ihm mitzukommen. Sie wanderten durch lange Gänge, durchschritten eine Tür, und da lag Ross nackt auf einer Leichenbahre.
Nicht der Tod an sich war es, der Pettikin so erschüttert hatte, sondern die totale Nacktheit, die scheinbare Schändung und die völlige Auslöschung menschlicher Würde. Auf einer anderen Leichenbahre lagen Laken. Er nahm eines und deckte Ross zu, und das schien alles erträglicher zu machen.
Über eine Stunde hatte Pettikin gebraucht, um die Station zu finden, auf der Ross gestorben war, und um eine englischsprechende Krankenschwester und den Arzt aufzuspüren.
»Tut mir schrecklich leid, Sir«, hatte der Arzt, ein Libanese, in stockendem Englisch gesagt, »der junge Mann war schon im Koma, als er gestern eingeliefert wurde. Er hatte eine Schädelbasisfraktur, und wir vermuteten eine Gehirnschädigung; beide Trommelfelle waren geplatzt. Wir haben ihn natürlich geröntgt, aber er hatte keine inneren Verletzungen oder Blutungen erlitten. Wir konnten nicht viel mehr tun, als ihm einen Kopfverband anlegen und warten. Heute bei Tagesanbruch ist er gestorben. Ich habe den Totenschein unterzeichnet – möchten Sie eine Kopie haben? Eine haben wir der Britischen Botschaft zukommen lassen, zusammen mit seiner persönlichen Habe.«
»Kam er noch einmal zu Bewußtsein, bevor … bevor er starb?«
»Das weiß ich nicht. Er war auf der Intensivstation, und die Schwester … Lassen Sie mich mal sehen …« Der Arzt sah die Listen durch und fand ihren Namen. »Sivin Tahollah. Ach ja. Weil er doch Engländer war, haben wir sie ihm zugeteilt.«
Sivin Tahollah war eine alte Frau, ein typisches Strandgut des Nahen Ostens.
Ihr Gesicht war pockennarbig und häßlich, aber ihre Stimme sanft und beruhigend, ihre Hände waren warm. »Er hat das Bewußtsein nicht mehr wiedererlangt, Effendi, nicht wirklich.«
»Hat er etwas gesagt, was Sie verstehen konnten?«
Die alte Frau dachte kurz nach. »Er redete
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