Wirbelsturm
Tischbestecke und weiße Seidenservietten, Schüsseln mit diversen Khoreschgerichten, Fleisch und Gemüse, frisches Brot und frisches Obst, Süßigkeiten und Gewürze. Nur noch der Reis fehlte, aber der würde erst aufgetragen werden, wenn sie die Gäste zum Essen rief. »Gut«, sagte sie zu den Dienern und ging in den anderen Raum zurück.
Ihre Gäste unterhielten sich noch, aber sie sah, daß Scharazad nicht weit von Daranousch Farazan stand, der in ein Gespräch mit Meschang vertieft war. Ihr Mitleid verbergend, ging sie zu ihr hinüber. »Du siehst müde aus, mein Liebling. Fühlst du dich wohl?«
»Natürlich fühlt sie sich wohl!« rief Meschang laut. Es sollte witzig klingen. Scharazad, die in letzter Zeit sehr blaß aussah, setzte ein Lächeln auf. »Es ist die Aufregung, Zarah, nur die Aufregung.« Dann zu Farazan: »Wenn Sie nichts dagegen haben, Exzellenz Daranousch, werde ich Ihnen heute beim Essen nicht Gesellschaft leisten.«
»Warum, was ist los?« mischte Meschang sich in scharfem Ton ein. »Bist du krank?«
»O nein, liebster Bruder, es ist nur die Aufregung.« Scharazad wandte sich wieder dem kleinen Mann zu. »Vielleicht gestatten Sie mir, Sie morgen zu besuchen? Vielleicht morgen zum Abendessen?«
Farazan antwortete, noch bevor Meschang sich dazu äußern konnte: »Selbstverständlich, meine Liebe«, trat näher an sie heran und küßte ihr die Hand. Es bedurfte ihrer ganzen Willenskraft, sie nicht zurückzuziehen. »Morgen abend essen wir bei mir zu Hause. Vielleicht werden Sie und Exzellenz Meschang und Zarah mein armseliges Haus beehren.« Er kicherte, was ihm ein noch groteskeres Aussehen verlieh. » Unser armseliges Haus.«
»Ich danke Ihnen. Der Gedanke macht mich glücklich. Friede sei mit Ihnen.«
»Und mit Ihnen.«
Sie verabschiedete sich ebenso höflich von ihrem Bruder und Zarah. Farazan sah ihr nach, betrachtete das Wiegen ihrer knabenhaften Hüften. Bei Allah, sieh sie dir doch nur an, dachte er, wie sie wohl nackt aussieht? Bei Allah, als Meschang mir die Heirat vorschlug, haben mich eigentlich nur die Mitgift und die Aussicht auf eine politische Partnerschaft im Basar gelockt – überzeugende Angebote, und überzeugend sollten sie ja auch wohl sein, da es sich schließlich um eine Frau handelt, die mit dem Kind eines Fremden schwanger geht. Aber jetzt denke ich, es wird gar nicht schwer sein, mit ihr zu schlafen, mich von ihr bedienen zu lassen, wie ich bedient zu werden wünsche, und irgendwann eigene Kinder zu bekommen.
Er kratzte sich zerstreut, bis sie den Raum verlassen hatte. »Wo waren wir stehengeblieben, Meschang?«
»Ich hatte Ihnen gerade vorgeschlagen, eine neue Bank zu gründen …« Scharazad schloß die Tür und lief leichtfüßig die Treppe hinauf. Jari saß dösend im großen Lehnsessel. »O, Prinzessin, wieso …«
»Ich geh jetzt zu Bett, Jari. Du kannst dich zurückziehen, und ich möchte nicht mehr gestört werden. Durch nichts und von niemandem. Wir sprechen uns beim Frühstück.«
»Aber Prinzessin, ich schlafe im Lehnsessel und …«
Ärgerlich stampfte Scharazad auf. »Gute Nacht! Und ich will nicht gestört werden!« Laut versperrte sie die Tür hinter ihr, schleuderte die Schuhe von den Füßen und zog sich dann ganz leise um. Jetzt noch Schleier und Tschador. Vorsichtig öffnete sie die Balkontür und schlüpfte hinaus. Sie stieg die Treppe in den Garten hinunter, von dort führte ein Weg zum Hintereingang. Sie schob die Riegel zurück. Die Angeln knarrten. Dann stand sie in der schmalen Gasse, drückte die Tür wieder zu. Sie eilte davon, und hinter ihr blähte sich der Tschador wie ein schwarzer Flügel.
Im Empfangssaal warf Zarah einen Blick auf die Uhr und trat an Meschang heran. »Soll ich jetzt servieren lassen, Liebster?«
»Einen Augenblick noch! Siehst du nicht, daß Seine Exzellenz und ich etwas Wichtiges zu besprechen haben?«
Zarah seufzte, wandte sich ab, um auf eine Freundin zuzugehen, blieb aber stehen, als sie den Pförtner eintreten sah. Der Mann eilte auf Meschang zu und flüsterte etwas. Meschang wurde totenblaß. Farazan rang nach Atem. Sie stürzte zu ihnen hinüber. »Was in aller Welt ist passiert?«
»Hezbollahis sind hier«, platzte der verschreckte Diener heraus, »hezbollahis mit einem … mit einem Mullah. Sie wollen unverzüglich mit Seiner Exzellenz sprechen.«
In der großen Stille erinnerten sich alle an Paknouris Verhaftung und Jareds Vorladung und die anderen Verhaftungen und Hinrichtungen, an die
Weitere Kostenlose Bücher