Wirbelsturm
Pastorentöchtern: Wenn es Ihnen möglich wäre, Ihre Mühle in Gang zu setzen, würde ich einen schnellen Trip zur Grenze empfehlen.«
Erikki kniff die Augen zusammen. »Warum?«
Armstrong holte eine Zigarette heraus. »Das Klima in dieser Gegend ist nicht sehr gesund, meinen Sie nicht auch?« Er legte die Hand um das Feuerzeug, um es zu betätigen.
»Wenn Sie sich hier, wo alles voller Benzin ist, eine Zigarette anzünden, wird das Klima für uns beide auf Dauer höchst ungesund sein.« Erikki drückte auf den Starter. 20 Sekunden lang lief die Turbine perfekt, dann kam sie wieder zum Stillstand. Erikki stieß eine Verwünschung aus.
Armstrong nickte höflich und schlenderte zum Fahrer hinüber. Dieser öffnete ihm die Tür. Er lehnte sich zurück, zündete die Zigarette an und inhalierte tief. Ob Erikki ihn wohl verstanden hatte? Hoffentlich. Von dem gefälschten Fernschreiben kann ich nichts verraten, auch nicht von der Operation ›Wirbelsturm‹, sonst stellen sie mich wegen Landesverrat an die nächste Wand. Man hat mich gewarnt, mehr kann ich nicht verlangen. Es ist Innenpolitik. Mann, o Mann! Das hängt mir schon alles zum Hals heraus. Ich brauche Urlaub, einen langen Urlaub. Aber wo? Ich könnte auf ein, zwei Wochen nach Hongkong fliegen, ein paar alte Freunde besuchen oder vielleicht ins Berner Oberland zum Schifahren. Bin schon seit Jahren nicht mehr dort gewesen, und ich könnte die gute Schweizer Küche genießen: Rösti und Wurst und guten Kaffee mit dicker Sahne und eine Menge Wein. Jawohl, das mache ich! Zuerst Teheran, dann einen Schlußstrich unter das Kapitel Haschemi gezogen und fort aus diesem Land, ins Blaue hinein! Vielleicht lerne ich ein nettes Mädchen kennen … Aber Leute wie ich kommen nicht aus der Kälte zurück, und wir ändern uns auch nicht. Wie soll ich mir denn in Zukunft meinen Lebensunterhalt verdienen? Meine iranische Rente ist futsch, und die eines Bullen in der Kronkolonie wird jeden Tag weniger wert.
»Na, Haschemi, wie ist es gelaufen?«
»Bestens, Robert. Ins Büro zurück, Fahrer!« Der Chauffeur fuhr durch das Haupttor und sauste die Straßen zur Stadt hinunter. »Yokkonen wird sich in den frühen Morgenstunden davonmachen. Wir folgen ihm und schnappen ihn, wo es uns paßt, außerhalb Täbris.«
»Mit Hakims Segen?«
»Als Privatmann hat er seinen Segen gegeben; vor der Öffentlichkeit wird er sich empört zeigen. Danke.« Offensichtlich überaus zufrieden mit sich, nahm Haschemi die angebotene Zigarette an, und Armstrong fragte sich, was für ein Handel da geschlossen worden war. »Aber da wird der arme Kerl wohl nicht mehr unter den Lebenden weilen.«
»War das Hakims Vorschlag?«
»Na klar.«
»Interessant.« Das war nicht Hakims Idee. Was hat Haschemi jetzt wohl vor? fragte sich Armstrong.
»Ja. Interessant. Sobald wir heute nacht das Hauptquartier der Mudjaheddin niedergebrannt und diesen finnischen Wahnsinnigen eingefangen haben, fahren wir nach Teheran zurück.«
»Perfekt.«
Teheran – im Hause Bakravan: 20 Uhr 06. Scharazad verstaute die Handgranate und die Pistole in ihrer Umhängetasche und verbarg diese unter einigen Kleidungsstücken in einer Schublade ihrer Kommode. Die Sachen wollte sie später unter ihrem Tschador tragen: ein dicker Pullover, Schijacke und Schihose waren bereits ausgesucht. Jetzt hatte sie ein hellgrünes Seidenkleid aus Paris an, das ihre Figur und ihre langen Beine vortrefflich zur Geltung brachte. Auch ihr Make-up war perfekt. Ein letzter Blick in den Spiegel, dann ging sie hinunter, um am Empfang für Daranousch Farazan teilzunehmen. »Ach, Scharazad!« Meschang erwartete sie an der Tür. Er schwitzte, überspielte aber seine Nervosität mit vorgetäuschter guter Laune. Er wußte nicht, was er von ihr zu erwarten hatte. Als sie vom Arzt zurückgekommen war, hatte er angefangen, auf sie einzureden und gräßliche Drohungen auszustoßen; sie aber hatte überraschenderweise nur die Augen niedergeschlagen und fügsam erklärt: »Es gibt nichts mehr zu sagen, Meschang, Allah hat entschieden. Entschuldige mich bitte, ich möchte mich umziehen.« Und jetzt war sie da und schien immer noch fügsam.
Und das sollte sie ja auch sein, dachte er. »Exzellenz Farazan kann es schon gar nicht mehr erwarten, dich zu begrüßen.« Er nahm ihren Arm und führte sie an den etwa 30 Leuten im Saal vorbei, zumeist Freunde von ihm und deren Frauen, dann Zarah und einige ihrer Freundinnen. Von Scharazad waren keine Freunde da. Sie
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