Wirbelsturm
Vorhof auszuschalten. Aber, rein hypothetisch, wie steht es mit meiner Schwester?«
»Meine Frau macht keine Flucht mit, ob echt oder hypothetisch. Sie hat keine Wahl; sie muß aus freiem Willen bleiben und zwei Jahre warten. Sie muß ihren Eid halten. Keiner, der sie liebt, am wenigsten ich, würde zulassen, daß sie wegen zwei Jahren ihrem Glauben untreu wird. – Ja, Azadeh, es ist einfach verboten. Hast du verstanden?«
»Ich habe dich gehört, mein Gatte«, sagte sie durch die Zähne. Sie war so zornig, daß sie kaum sprechen konnte.
»Durch deinen Eid bist du auf zwei Jahre gebunden, dann kannst du von hier fortgehen.«
Sie sah ihn an und entgegnete: »Es könnte sein, daß ich in zwei Jahren nicht mehr den Wunsch habe, von hier fortzugehen.«
Erikki legte seine große Hand auf ihre Schulter. »Dann komme ich zurück und schleife dich an den Haaren hinaus, Weib.« Er sagte es so ruhig, aber auch so gehässig, daß Azadeh das Blut in den Adern erstarrte. Er ließ seine Hand auf ihrer Schulter, und obwohl sie sie nicht abschüttelte, fühlte er, daß sie vor Wut kochte und ihn jetzt verabscheute. Er wußte aber auch, daß es nötig gewesen war zu sagen, was er gesagt hatte.
»Bitte entschuldige mich für einen Augenblick«, sagte sie mit eisiger Stimme.
Die zwei Männer sahen ihr nach.
»Wird sie gehorchen?« rätselte Hakim.
»Nein«, antwortete Erikki. »Außer du sperrst sie ein, und selbst dann … Nein. Sie hat einen Entschluß gefaßt.«
»Ich werde nie, nie zulassen, daß sie ihren Eid bricht und sich vom Islam lossagt, das mußt du verstehen … und wenn ich sie töten müßte.«
Erikki sah ihn an. »Wenn du ihr ein Leid zufügst – und ich noch am Leben bin –, bist du ein toter Mann.«
In den Slums im Norden von Täbris: 22 Uhr 36. Im Dunkel stürmte die erste Welle der hezbollahis das Tor in der hohen Mauer, sprengte die Schlösser ab und drang, wild drauflos schießend, in den Innenhof ein. Haschemi Fazir und Robert Armstrong saßen auf der anderen Seite des Platzes in der relativen Sicherheit eines geparkten Lastwagens. Andere Männer lauerten im Hintergäßchen, um jeden Rückzug unmöglich zu machen.
»Jetzt!« rief Haschemi in sein Walkie-talkie; und sofort flammten auf getarnten Lastwagen montierte Scheinwerfer auf und überfluteten den Platz mit grellem Licht. Aus den umstehenden Häusern flüchteten einige Leute, aber Polizisten und hezbollahis eröffneten das Feuer, und die Schlacht begann. »Komm mit, Robert«, forderte Haschemi Armstrong auf und arbeitete sich näher heran.
Spitzel hatten berichtet, daß hier heute nacht eine Konferenz hochrangiger islamisch-marxistischer Führer stattfinden würde und daß dieses Gebäude auf beiden Seiten durch ein Labyrinth von geheimen Gängen mit den Nebenhäusern verbunden war. Mit Hakim Khans Unterstützung hatte Haschemi die erste von mehreren Razzien in die Wege geleitet, Operationen mit dem Ziel, die erstarkte und breit gestreute linksgerichtete Opposition zu demontieren, die Führer festzunehmen und an ihnen ein Exempel zu statuieren.
Die erste Welle von hezbollahis hatte das Erdgeschoß genommen und stürmte, ohne Rücksicht auf Verluste, die Treppe hinauf. Nachdem sie über die erste Überraschung hinweg waren, wehrten sich die gut bewaffneten und geschulten Verteidiger mit der gleichen wilden Entschlossenheit.
Draußen auf dem Platz war Ruhe eingekehrt. Die Verteidiger hatten keine Lust, Spießruten zu laufen oder sich jenen zuzugesellen, die hilflos zwischen den auf dem Platz abgestellten Wagen festgenagelt waren, von denen einige bereits in Flammen standen. Hinter ihren Fahrzeugen gut verschanzt, blockierten Polizisten und hezbollahis das Hintergäßchen an beiden Enden. »Warum warten wir hier wie Feiglinge, statt anzugreifen?« fragte einer der hezbollahis aufsässig.
»Du wartest hier, weil es der Oberst so befohlen hat«, wies ihn der Polizeisergeant zurecht. »Weil wir von hier aus die Hunde töten können, ohne selbst in Gefahr zu geraten, und …«
»Ich gehorche keinem Hund von Oberst, ich gehorche nur Allah! Allah ist groß!« Damit spannte der Junge den Hahn seines Gewehrs und lief auf den Hintereingang des Gebäudes zu. Andere folgten ihm. Der Sergeant warf ihnen Verwünschungen nach und befahl ihnen zurückzukommen, aber schon sprühte aus kleinen Fenstern hoch in der Mauer eine Salve herunter und metzelte sie nieder.
Haschemi und die anderen hörten die Schüsse im hinteren Durchgang und nahmen an, die
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