Wirbelsturm
verfolgten sie, wie er zwei ähnliche Bündel unter den Hubschrauber schob, dann unter dem Leitwerksträger durchtauchte und auf ihrer Seite wieder erschien. Einen Augenblick lang blieb er stehen, sah zu ihnen hinüber, ohne sie zu bemerken, stieg dann mit der Pistole in die Maschine. Das Teppichbündel lehnte gegen den anderen Sitz.
Die Triebwerke starteten, und beide Wächter zuckten zusammen. »Allah schütze uns, was sollen wir tun?«
»Nichts«, antwortete Babak nervös. »Der Khan hat uns aufgetragen: ›Laßt den Piloten zufrieden, was immer er tut. Er ist gefährlich.‹ Genau das hat er gesagt, stimmt's? ›Wenn der Pilot gegen Morgen den Wagen nimmt, laßt ihn fahren.‹ Wir tun gar nichts.«
»Aber der Khan hat nichts gesagt, daß er wieder seine Triebwerke anlassen würde oder daß er sich mit einem Bündel Teppiche herausschleichen würde.«
»Du hast recht. Wie es Allah gefällt, aber du hast recht.« Ihre Nervosität nahm zu. Sie hatten die Wächter nicht vergessen, die vom alten Khan wegen Ungehorsams oder Versäumnissen eingekerkert und ausgepeitscht worden waren. Sie blickten auf, als im zweiten Stock, wo der Khan seine Gemächer hatte, die Lichter angingen, und schauten gleich wieder um, als das Polizeiauto herangebraust kam und vor dem Tor stehenblieb. Eine Taschenlampe in der Hand, sprang der Sergeant heraus. »Was geht hier vor?« schrie er. »Macht das Tor auf! Wo sind meine Männer?«
Babak eilte zur Seitentür und schob den Riegel zurück. Erikki im Cockpit arbeitete, so schnell er konnte; die Wunde im Arm hemmte ihn. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht und vermischte sich mit einem Rinnsal von Blut aus seinem Ohr, dessen Verband verrutscht war. Er atmete in keuchenden Stößen nach dem langen Lauf vom Nordflügel herüber, die betäubte und hilflose Azadeh in einen Teppich eingerollt über der Schulter, und verwünschte die Zeiger, die einfach nicht weiterrücken wollten. Er hatte das Zimmer nicht verlassen, ohne Mina zuvor vorsorglich bewußtlos zu schlagen, und hoffte, sie nicht ernstlich verletzt zu haben. Er hatte es getan, um sie davor zu bewahren, der geheimen Beihilfe beschuldigt zu werden. Zum Schluß hatte er sich auch noch das kookri in den Gürtel gesteckt.
»Na, macht schon«, schnarrte er die Zeiger an, warf dann einen flüchtigen Blick zum Tor und erkannte Männer in Polizeiuniform. Mit einemmal war der Hubschrauber ins Licht einer Taschenlampe getaucht, und sein Magen krampfte sich zusammen. Ohne nachzudenken, griff er nach dem Sten-Maschinengewehr, schob den Lauf durch das Pilotenfenster und ballerte los, ohne zu zielen.
Die vier Männer gingen eilig in Deckung, während die Kugeln vom Mauerwerk des Tors abprallten. In seiner Panik ließ der Sergeant die Taschenlampe fallen, aber schon vorher hatten alle die zwei bewußtlosen Körper des Corporals und seines Kameraden ausgestreckt auf dem Boden liegen sehen. Als die Salve zu Ende war, kroch der Sergeant eilig zur Seitentür zu seinem Wagen und seiner M 16 – in der Annahme, die Wächter des Khans würden das Feuer eröffnen. »Schießt doch endlich!« brüllte der Polizist, der den Wagen gefahren hatte. Babak drückte ab, doch die Schüsse gingen ins Leere. Der Fahrer wagte sich hervor, um seine Taschenlampe aufzuheben. Wieder eine Salve vom Hubschrauber, und er sprang zurück. »Sohn eines verbrannten Vaters …«
Erikki sah seinen Fluchtplan gescheitert, die 212 ein wehrloses Ziel auf dem Boden. Seine Zeit war abgelaufen. Den Bruchteil einer Sekunde lang dachte er daran abzuschalten. Wenn er sich an die Vorschriften halten wollte, standen die Zeiger viel zu niedrig. Noch einmal feuerte er auf das Tor, gab Vollgas und stieß einen urzeitlichen Schlachtruf aus, der allen, die ihn hörten, das Blut in den Adern erstarren ließ. Die Triebwerke gingen auf volle Leistung und kreischten unter der Beanspruchung, als er den Steuerknüppel vorschob und die Maschine ein paar Zoll nach oben zerrte. Mit erhobenem Leitwerk torkelte sie über den Vorhof, hüpfte hoch und fiel zurück, hüpfte wieder hoch und fiel wieder zurück und hing schließlich in der Luft, wenn sie auch nur schwerfällig vorankam. Am Haupttor entriß der Fahrer einem Wächter das Gewehr, ging zum Pfeiler vor, spähte nach oben, sah den Hubschrauber entwischen und drückte ab.
Vom Lärm aus bleiernem Schlaf gerissen, beugte sich Hakim aus dem Fenster seines Schlafzimmers im zweiten Stock. Sein Leibwächter Margol stand neben ihm. Sie sahen, wie die
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