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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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gerempelt und gestoßen und weitergetragen wurde – ihre Füße berührten kaum noch den Boden. Ein alter Mann stolperte, verschwand, die Schahada murmelnd, unter trampelnden Füßen; beinahe hätte er sie mitgerissen. Jemand neben ihr stieß ihr seinen Ellbogen in den Bauch, vor Schmerz schrie sie auf, und ihre Angst verwandelte sich in Panik. »Tommy! Hilf mir!« kreischte sie.
    Etwa 100 Meter weiter stand Tom Lochart – man hatte ihm den Mantel zerrissen und die Schirmmütze vom Kopf geschlagen –, von marschierenden Studenten an eine Ladenfront gepreßt. In der Hoffnung, sie zu finden, hatte er seit Stunden die Studentengruppen durchsucht – er war ganz sicher, daß sie mit ihnen mitmarschieren würde. Wo hätte sie sonst hingehen sollen? Doch nicht in die Wohnung dieses Studenten, von dem Jari erzählt hatte, dieses Ibrahim oder wie er hieß – er bedeutete doch nichts. Ich muß sie finden!
    »Allah ist groß«, murmelte er, und wenn er auch krank vor Sorge um sie war, sein Herz jubelte. Damit, daß ich Moslem geworden bin, habe ich alle Schwierigkeiten beseitigt. Jetzt werden sie mich akzeptieren, jetzt gehöre ich dazu. Ich kann jetzt den Haddsch nach Mekka unternehmen, in jeder Moschee meine Andacht verrichten – für Gott haben Hautfarbe oder Rasse keine Bedeutung. Nur der Glaube. Und ich glaube an Allah, und daß Mohammed der Prophet Allahs war. Ich werde kein Fundamentalist sein, auch kein Schiit, sondern ein orthodoxer Sunnit. Ich werde Arabisch lernen, und ich werde für IranOil und das neue Regime fliegen, und wir werden glücklich sein, Scharazad und ich …
    In der Nähe fiel ein Schuß, das Feuer aus einer Barriere brennender Autoreifen stieg zum Himmel, während sich kleine Gruppen schreiender Studenten auf die hezbollahis stürzten, und nun wurde die ganze Straße zu einem wüsten Haufen brüllender, kämpfender Leiber, die die Schwächeren niederstampften. Eine wütende Phalanx von Jugendlichen riß ihn mit sich fort ins Zentrum des Sturms.
    80 Meter weiter von ihm entfernt kämpfte Scharazad schreiend um ihr Leben, indem sie nach allen Seiten schlug und trat, um sich ihren Weg dahin zu bahnen, wo sie relative Sicherheit zu finden hoffte. Den Tschador hatte man ihr vom Leib gerissen, ihr Schleier war verschwunden. Sie hatte jede Menge blaue Flecke und Schmerzen im Unterleib. Um sie herum tobte der Mob, wogte ein bestialischer Kampf, jeder gegen jeden, bei dem keiner wußte, wer Freund war und wer Feind, ausgenommen Mullahs und hezbollahis, die vergeblich versuchten, die Ordnung wiederherzustellen. Mit ohrenbetäubendem Gebrüll setzten sich die Islamiten nach kurzem Zögern in Bewegung. Die Schwachen stürzten und wurden erdrückt. Männer und Frauen. Und alle riefen ihre eigene Version von Gott an.
    Die Studenten setzten sich verzweifelt zur Wehr, wurden aber von ihren Gegnern überwältigt und erbarmungslos niedergetrampelt. Der Rest brach auseinander, und eine wilde Flucht setzte ein.
    Lochart setzte seine Körpergröße und all seine Kraft ein, um sich freizukämpfen. Er stand jetzt zwischen zwei Autos, die ihm für den Augenblick Schutz boten. Ein paar Meter weiter sah er ein kleines, halbverstecktes Gäßchen, das zu einer verfallenen Moschee führte. Nach vorn zu explodierte der Tank eines Autos; Flammen züngelten nach allen Seiten. Die Glücklicheren starben sofort, die Verwundeten schrieen gellend um Hilfe. Im Feuerschein glaubte er Scharazad gesehen zu haben, aber in diesem Augenblick kreiste ihn eine Gruppe fliehender Jugendlicher ein, einer stieß ihm die Faust in den Rücken, andere rempelten ihn aus dem Weg, und er kam unter ihre Stiefel zu liegen. Scharazad war nur 30 Meter entfernt. Das Haar zerzaust, die Kleider zerrissen, immer noch eingeschlossen in die tobende Menge, immer noch um Hilfe schreiend, ohne daß jemand sie hörte oder ihr Beachtung schenkte. »Tommy … hilf mir …«
    Einen Augenblick lang teilte sich die Menge. Scharazad stürzte auf die Öffnung zu und zwängte sich zu den geparkten Autos durch, um auf den Gehsteig zu gelangen. Der Tumult legte sich ein wenig. Arme breiteten sich aus, um Bewegungsfreiheit zu erlangen, Hände wischten Schweiß und Schmutz ab, und die Menschen faßten ihre Nachbarn ins Auge. »Du verdammte kommunistische Hure!« brüllte ein Mann, der ihr entgegenkam. Vor Wut quollen ihm die Augen fast aus den Höhlen.
    »Das … das bin ich doch nicht, ich bin Moslime«, stieß sie hervor, aber er packte ihre Schijacke, riß sie

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