Wirbelsturm
mehrere Hotels angerufen und schließlich festgestellt, daß er im International abgestiegen war. Er hatte ihm eine Nachricht hinterlassen, aber noch keinen Rückruf erhalten. Wahrscheinlich ist er mir böse, weil ich ihn im Stich gelassen habe, weil wir ihm bei Iran-Toda nicht helfen können. Ist das zu glauben? Bandar-e Delam und Iran-Toda – das scheint schon so weit hinter mir zu liegen und ist doch erst ein paar Tage her! Wie auch immer: Wenn er nicht gewesen wäre, ich würde immer noch mit Handschellen an dieses Drecksbett gefesselt sein.
»Schade, daß wir nicht alle unsere Sardinendose haben, Andy«, bemerkte er. »Was waren wir doch für Glückspilze, daß wir in einem Stück aus Lengeh herausgekommen sind! Der alte Duke wird auch bald wieder kerngesund sein. Und die Operation ›Wirbelsturm‹! Alle unsere Jungs sind draußen, unsere Vögel auch. McIver kommt schon noch in Ordnung. Sie werden sehen! Dubois und Fowler? Irgendwann kommt jeder dran, aber soviel ich weiß, ist ihnen noch nichts passiert, also können wir immer noch hoffen. Tom hat seine Entscheidung getroffen, aber er kommt bestimmt auch noch raus. Und bei Erikki können wir immer noch hoffen.«
Nahe der türkischen Grenze: 7 Uhr 59. Etwa 1.000 Kilometer weiter nördlich beschattete Azadeh ihre Augen vor der aufgehenden Sonne. Sie hatte unten im Tal etwas glitzern sehen. Wurde das Licht von einem Gewehr zurückgeworfen? Von einem Pferdegeschirr? Sie machte die M 16 feuerbereit, nahm das Fernglas auf. Hinter ihr lag Erikki ausgestreckt auf einigen Decken in der offenen Kabine der 212 und schlief. Sein Gesicht war bleich, da er eine Menge Blut verloren hatte, aber sein Zustand schien ihr nicht besorgniserregend zu sein. Die Landschaft unter ihr war schneebedeckt, nur hier oder da ein vereinzelter Baum. Einsam und verlassen. Keine Dörfer und kein Rauch. Der Tag war klar und windstill, aber sehr kalt. Langsam suchte sie mit dem Fernglas das Tal ab. Ein paar Kilometer weiter entdeckte sie ein Dorf, das sie vorher nicht bemerkt hatte.
Die 212 war auf einem Felsplateau in einem rauhen Gebirge abgestellt. Da in der vergangenen Nacht, nach ihrer Flucht aus dem Palast, einige Instrumente durch eine Kugel zerstört worden waren, hatte Erikki die Orientierung verloren. Und da er fürchtete, zuviel Treibstoff zu verbrauchen, und da er nicht gleichzeitig fliegen und das Blut aus seiner Armwunde stillen konnte, hatte er sich entschlossen, eine Landung zu riskieren und auf Tageslicht zu warten. Nachdem er niedergegangen war, hatte er den Teppich herausgehoben und vorsichtig aufgerollt. Azadeh schlief immer noch. Er versorgte, so gut er konnte, seine Wunde, hüllte Azadeh dann von neuem in den Teppich, um sie zu wärmen, holte eins der Gewehre aus dem Cockpit und lehnte sich gegen den Helikopter, um Wache zu halten. Aber so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, die Augen offenzulassen.
Er war plötzlich erwacht. Am Horizont schien es bereits zu dämmern. Azadeh kauerte noch unter dem Teppich, war aber schon hellwach. »Du hast mich also entführt!« Aber ihre vorgetäuschte Frostigkeit hielt nicht lange an. Sie warf sich in seine Arme, küßte ihn, dankte ihm dafür, daß er das Dilemma für sie drei so klug gelöst hatte, und hielt ihm eine Rede, die sie bereits geübt hatte: »Ich weiß, daß eine Frau wenig gegen ihren Mann ausrichten kann, eigentlich gar nichts. Selbst im Iran, wo wir doch zivilisierte Leute sind, ist eine Frau nicht viel mehr als eine Leibeigene, und was die fraulichen Pflichten angeht, drückt sich der Imam sehr klar aus. Ich weiß auch, daß ich mit einem Ungläubigen verheiratet bin, und ich schwöre, daß ich mindestens einmal am Tag versuchen werde, zu fliehen und zurückzukehren, um meinen Schwur zu halten. Ja, das werde ich tun, obwohl ich genau weiß, daß du mich immer wieder einfangen, mich schlagen oder mir kein Geld geben wirst und daß ich deinen Befehlen gehorchen muß – nur meine Religion werde ich nie, nie aufgeben.« Ihre Augen schwammen in Freudentränen. »Ich danke dir, Liebster! Ich hatte solche Angst!«
»Hättest du das getan? Dich von deinem Gott losgesagt?«
»Ich habe so sehr darum gebetet, daß Allah dir den Weg zeigen möge.«
»Hättest du es getan?«
»Es ist doch jetzt nicht mehr nötig, sich das Unvorstellbare vorzustellen, nicht wahr, Liebster?«
»Aha«, sagte er. »Du wußtest es also! Du wußtest, daß ich genau das tun mußte?«
»Ich weiß nur, daß ich deine Frau bin. Ich
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