Wirbelsturm
anderen Diener jede Woche für ein paar Stunden ausleihen könnte? Das wäre doch eine Hilfe für dich.«
»Ich möchte sie nicht darum bitten – du kennst doch die Lage.«
»Du hast recht, es ist wirklich ärgerlich.« Im Augenblick war es Ausländern beinahe unmöglich, Hauspersonal zu finden, ganz gleich, wieviel sie auch zahlten.
»Diener zu haben war eine Annehmlichkeit, die ich hier sehr schätzte. Es hat viel ausgemacht: Man kam sich in diesem fremden Land nicht so verlassen vor«, sagte Genny.
»Nach all der Zeit empfindest du es immer noch als fremd?«
»Mehr denn je. Ich hatte immer das Gefühl, daß die Freundlichkeit und Höflichkeit der wenigen Iraner, die wir kennengelernt haben, nur Tünche war. Ihre wahren Gefühle kommen wohl erst jetzt zum Vorschein. Das trifft natürlich nicht auf unsere Freunde zu. Annousch zum Beispiel ist einer der nettesten, liebenswertesten Menschen der Welt.« Annousch war die Frau von General Valik, dem Chef ihrer Partnerfirma in Teheran. »Den meisten Frauen ging es wie mir«, fuhr Genny fort. »Vielleicht schließen sich deshalb die Ausländer immer zusammen, spielen miteinander Tennis, gehen gemeinsam Schi fahren, unternehmen Bootsfahrten, verbringen die Wochenenden zusammen am Kaspischen Meer. Wir haben gelebt wie Gott in Frankreich, aber damit ist es vorbei.«
»Es wird wieder so werden. Ich hoffe es nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen hier. Auf dem Heimweg ist mir plötzlich klargeworden, was mir am meisten fehlt: das Lachen. Niemand lacht mehr, ich meine auf den Straßen, nicht einmal die Kinder.« McIver nahm einen Schluck von seinem Whisky.
»Ja, auch mir fehlt das Lachen. Mir fehlt auch der Schah. Ich bedaure sehr, daß er abdanken mußte. Soweit es uns betraf, war doch alles in Ordnung. Ich schäme mich beinahe – er hat bestimmt sein Bestes für sein Volk getan.«
»Leider war es offenbar für die meisten nicht gut genug.«
»Ich weiß. Das ist bitter. Aber es hat keinen Sinn, vergangenen Zeiten nachzutrauern. Hungrig?«
»Und ob.«
Im Licht der Kerzen wirkte das Eßzimmer warm und behaglich. Die Vorhänge waren zugezogen und sperrten die Nacht aus. Hassan trug die dampfenden Schüsseln mit verschiedenem Khoresch auf – das Wort bedeutet wörtlich Suppe, aber es handelt sich eigentlich um einen dicken Eintopf aus Lamm oder Huhn mit Gemüse, Rosinen und allen möglichen Gewürzen. Dazu gab es Polo, den köstlichen überbackenen iranischen Reis. Hungrig aßen sie die vorzüglichen Speisen und erinnerten sich an Feste, die sie in den Häusern ihrer Freunde genossen hatten.
»Ich habe beim Lunch zufällig Christian Tollonen getroffen, du weißt doch, Erikkis Freund von der Finnischen Botschaft. Er hat mir erzählt, daß Azadehs Paß bereitliegt. Das ist gut. Aber eine Bemerkung von ihm hat mir zu denken gegeben: Acht von zehn seiner iranischen Freunde oder Bekannten befinden sich nicht mehr im Land, und wenn die Entwicklung so weitergeht, bleiben bald nur noch die Mullahs und ihre Schäfchen übrig. Ich habe dann auch zu zählen begonnen und bin zu dem gleichen Ergebnis gelangt; das gilt für die Schichten, die wir als Mittel- und Oberklasse bezeichnen würden.«
»Ich kann es ihnen nicht verübeln, daß sie abhauen, ich täte es auch. Ich glaube aber nicht, daß Scharazad je den Iran verlassen wird.«
McIver hörte den Unterton heraus und sah sie an. »So?«
Genny überlegte kurz, dann entschloß sie sich zu sprechen. »Sag Tom ja nichts davon, er würde einen Tobsuchtsanfall bekommen. Sie hat mir glückstrahlend erzählt, daß sie beinahe den ganzen Tag in Doschan Tappeh draußen war, wo es zu einem richtigen Aufstand gekommen ist mit Gewehren, Handgranaten …«
»Du meine Güte!«
»Sie steht auf der Seite der ›ruhmreichen Freiheitskämpfer‹, wie sie sie nennt. In Wirklichkeit handelt es sich freilich um meuternde Luftwaffenangehörige, ein paar Offiziere und von Tausenden Zivilisten unterstützte hezbollahis, die der Polizei, den loyalistischen Truppen und den Unsterblichen gegenüberstehen.«
8
Flughafen Bandar-e Delam: 19 Uhr 50. Nach Sonnenuntergang trafen immer mehr bewaffnete Revolutionäre ein, und längst waren alle Hangars und die Zufahrtsstraßen zum Flugplatz bewacht. Zataki hatte Rudolf Lutz erklärt, daß niemand den Flugplatz ohne Erlaubnis verlassen dürfe, daß sie so weitermachen sollten wie bisher und daß einer oder mehrere seiner Männer jeden Flug begleiten würden. »Wenn Sie die Befehle befolgen,
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