Wirbelsturm
Basis fehlten alle Transportmittel, und auch Erikkis roter Range-Rover war fort. Die Basis war offensichtlich in aller Eile geräumt worden – aber warum?
Er blickte zum Himmel empor. Der Wind hatte aufgefrischt, heulte durch den verschneiten Wald und übertönte das gedämpfte Dröhnen der Turbinen. Die Kälte drang durch seine Fliegerjacke, durch die dicke Hose und die Fliegerstiefel. Sein Körper sehnte sich nach einer heißen Dusche – oder noch besser: nach Erikkis Sauna –, nach Essen, heißem Grog, einem Bett und acht Stunden Schlaf. Der Wind wird kein Problem sein, dachte er, aber ich kann höchstens noch mit einer Stunde Licht rechnen, um aufzutanken, über den Paß und hinunter in die Ebene zu kommen. Oder soll ich heute nacht hier bleiben? Pettikin war kein Freund von Wald oder Bergen. Er kannte Wüste, Busch, Dschungel, Steppe und das tote Land der Saudis. Weite Ebenen störten ihn nie, doch Schnee und Kälte waren ihm unangenehm. Zuerst mal auftanken, dachte er.
Doch im Depot gab es kein Benzin. Die vielen Benzinfässer waren alle leer. Macht nichts, sagte er sich und unterdrückte die aufsteigende Panik, ich habe genügend Treibstoff in den Tanks, um nach Bandar-e Pahlavi zurückzufliegen. Ich könnte zum Flughafen Täbris weiterfliegen, oder mir Treibstoff beim ExTex-Depot in Ardabil organisieren, aber das liegt verdammt nahe an der sowjetischen Grenze.
Wieder musterte er den Himmel. Verdammt. Ich kann hier oder irgendwo unterwegs übernachten, ich muß nur einen Entschluß fassen. Hier. Das ist sicherer.
Er schaltete die Turbinen ab, schaffte die 206 in den Hangar und sperrte die Einstiegstür ab. Jetzt war die Stille betäubend. Er zögerte, dann ging er hinaus und schloß das Hangartor hinter sich. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Der Wind zerrte an ihm, als er zu Erikkis Häuschen ging. Unterwegs blieb er plötzlich stehen, weil er spürte, daß ihn jemand beobachtete. Er sah sich um, seine Augen und Ohren suchten Wald und Stützpunkt ab, aber nur der Wind fuhr heulend durch die Baumwipfel, und die Äste knarrten.
Er erschauerte, weil er es haßte, in dieser Gegend allein zu sein. Merkwürdig, es ist mir noch nicht aufgefallen, aber ich bin beinahe nie allein. Immer ist jemand in der Nähe, ein Mechaniker, ein Pilot, ein Freund, Genny, Mac oder Claire.
Er ließ den Wald noch immer nicht aus den Augen. Irgendwo in der Ferne begannen Hunde zu bellen. Das Gefühl, daß jemand da war, beherrschte ihn nach wie vor. Er unterdrückte sein Unbehagen mit Gewalt, kehrte zum Hubschrauber zurück und holte die Leuchtpistole. Er trug die schwere, kurze Waffe in der Hand, während er zu Erikkis Unterkunft zurückging, und fühlte sich nun ruhiger. Noch ruhiger fühlte er sich, nachdem er die Tür verriegelt und die Vorhänge zugezogen hatte.
Die Nacht brach schnell herein. In der Dunkelheit gingen die Tiere auf Jagd.
Teheran: 19 Uhr 05. McIver ging müde und hungrig entlang der Bäume des menschenleeren Boulevards. Keine Straßenlampe brannte, und er suchte seinen Weg vorsichtig im Halbdunkel. In der Ferne ertönten Gewehrfeuer und der Ruf »Allah-u Akbar.« Er bog um die Ecke und rannte beinahe in den Centurion-Panzer, der halb am Gehsteig parkte. Eine Stablampe blendete ihn kurz. Soldaten traten aus der Deckung.
»Wer sind Sie, Agha?« fragte ein junger Offizier in gutem Englisch. »Was tun Sie hier?«
»Ich bin Captain Duncan McIver. Ich gehe von meinem Büro nach Hause … Meine Wohnung befindet sich auf der anderen Seite des Parks, um die nächste Ecke.«
»Ausweis bitte.«
McIver griff vorsichtig in die Innentasche. Er spürte die beiden kleinen Fotos neben seinem Ausweis, eines vom Schah, das andere von Khomeini, aber er wußte nicht, welches hier angebracht war, und ließ beide stecken. Der Offizier prüfte den Ausweis im Schein der Stablampe. McIvers Augen hatten sich inzwischen an das Licht gewöhnt, und er bemerkte die Müdigkeit im Gesicht des Mannes, seinen Stoppelbart und seine verknautschte Uniform. Die Soldaten beobachteten ihn schweigend. Keiner rauchte, was McIver wunderte.
»Danke.« Der Offizier reichte ihm den Ausweis zurück. Der Schießlärm kam näher. »Es ist besser, wenn Sie sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr im Freien aufhalten, Agha. Gute Nacht!«
»Ja, danke. Gute Nacht!« McIver ging weiter und fragte sich, ob dies Loyalisten oder Aufrührer gewesen waren – wenn einige Einheiten meuterten und andere nicht, konnte es verdammt ungemütlich
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