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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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tragen, aber auf der Straße fühle ich mich in ihm wohler, Tommy. Die Männer starren einen so schrecklich an. Es ist an der Zeit, daß wir ihn wieder tragen – und auch den Schleier.«
    Er war entsetzt. »Was ist mit den Rechten, die ihr errungen habt, dem Recht zu wählen, dem Recht, den Schleier abzulegen, dem Recht, überall hinzugehen, wo ihr wollt, zu heiraten, wen ihr wollt, nicht mehr ein Stück Vieh zu sein? Wenn ihr den Tschador akzeptiert, verliert ihr alle übrigen Rechte.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht, Tommy.« Sie war froh, daß sie ihm widersprechen konnte, was bei einem iranischen Ehemann undenkbar gewesen wäre. Sie war so froh, daß sie diesen Mann geheiratet hatte, der ihr unglaublicherweise eine eigene Meinung zubilligte und, was noch verblüffender war, ihr erlaubte, sie offen zu äußern. Der Wein der Freiheit steigt einem rasch zu Kopf, dachte sie, er ist für eine Frau sehr gefährlich – wie jene Frucht im Garten Eden.
    »Als Schah Reza den Schleier von unseren Gesichtern nahm, hätte er auch die Einstellung der Männer ändern müssen. Du gehst nicht auf den Markt, Tommy, und fährst nicht Autobus, jedenfalls nicht als Frau. Du hast keine Ahnung, wie das ist. Die Männer auf der Straße, im Basar, in der Bank, überall. Sie sind alle gleich. Man sieht, daß alle das gleiche denken, von dem gleichen besessen sind – Gedanken, die im Zusammenhang mit mir nur dir zustehen.«
    Sie nahm den Tschador ab, legte ihn ordentlich auf einen Stuhl und setzte sich wieder zu ihm. »Von heute an werde ich ihn auf der Straße tragen wie meine Mutter und Großmutter vor mir, nicht wegen Khomeini, Allah schütze ihn, sondern deinetwegen, mein geliebter Mann.«
    Sie küßte ihn leicht, und er wußte, daß es beschlossene Sache war. Außer er verbot es ihr. Aber dann würde es Schwierigkeiten geben, denn es war ihr Recht, diese Entscheidung zu treffen. Sie war Iranerin, sie lebten im Iran, also würden es typisch iranische Schwierigkeiten sein, die zu einer typisch iranischen Lösung führten: Sie würde oft und tief seufzen, ihm seelenvolle Blicke zuwerfen, gelegentlich eine Träne vergießen, ihn mit niedergeschlagenen Augen wie eine Sklavin bedienen, nachts im richtigen Augenblick schluchzen, noch gequälter seufzen, aber nie würde ein zorniges Wort oder ein drohender Blick den äußerlichen Frieden stören.
    Manchmal fiel es Lochart schwer, sie zu verstehen. »Tu, was du willst, aber fahre nicht mehr nach Doschan Tappeh! Was ist dort geschehen?«
    Ihr Gesicht leuchtete auf. »Es war so aufregend. Die Unsterblichen konnten die Gläubigen nicht vertreiben. Überall wurde geschossen. Ich befand mich in Sicherheit, meine Schwester Laleh, mein Vetter Ali und seine Frau waren bei mir. Auch Karim war da. Er hat sich gemeinsam mit anderen Offizieren für den Islam und die Revolution entschieden und uns gesagt, wo und wie wir ihn erreichen können. Es waren über 200 Frauen anwesend, alle trugen den Tschador, und wir riefen im Chor ›Allah ist groß, Allah ist groß.‹ Dann liefen einige Soldaten zu uns über. Unsterbliche.« Ihre Augen wurden groß. »Stell dir vor, sogar die Unsterblichen beginnen, die Wahrheit zu erkennen!«
    Lochart war bestürzt, weil sie sich, wenn auch in Begleitung, solcher Gefahr ausgesetzt hatte. Bis jetzt hatten die Revolte und Khomeini sie scheinbar nicht berührt, außer zu Beginn, als sie sich wegen ihres Vaters und ihrer Verwandten Sorgen machte, die reiche Kaufleute und Bankiers waren und gute Beziehungen zum Hof unterhielten. Zum Glück hatte der Vater alle ihre Sorgen zerstreut, indem er ihr anvertraute, daß er und seine Brüder im geheimen seit Jahren Khomeini und die Revolte gegen den Schah unterstützten. Aber jetzt, dachte Lochart, wenn die Unsterblichen und hohe junge Offiziere wie Karim überlaufen, wird es zu einem schrecklichen Blutvergießen kommen. »Wie viele sind denn übergelaufen?« fragte er, während er überlegte, was er tun solle.
    »Nur drei, aber Karim findet, daß es ein guter Anfang ist und daß Bachtiar und sein Geschmeiß bald genauso fliegen werden wie der Schah.«
    »Hör zu, Scharazad, heute haben die Regierungen von England und Kanada angeordnet, daß alle Angehörigen ihrer hier tätigen Staatsbürger den Iran auf einige Zeit verlassen müssen. Mac schickt alle nach Al Schargas, bis sich die Lage beruhigt hat.«
    »Das ist sehr vernünftig.«
    »Morgen kommt unsere 125. Sie bringt Genny, Manuela, dich und Azadeh fort. Packe

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