Wirrnis des Herzens
war«, sagte Helen nachdenklich und ließ ihre Fingerspitzen über das Leder wandern. »Vielleicht wusste dieser jemand in etwa, wo König Edward die Öllampe vergraben hatte, und versteckte dann das Kästchen in der Nähe, damit beides auch zusammen wiedergefunden werden konnte. In der kleinen Höhle war jedoch nichts anderes. Ich habe sie sehr sorgfältig untersucht. Aber vielleicht in der näheren Umgebung ...?«
»Helen.«
Helen hob den Kopf und schaute Lord Beecham an. Das schwache Kerzenlicht ließ seine Gesichtszüge noch härter erscheinen, hart und gefährlich. Helen überkam plötzlich das Verlangen, ihn noch einmal mit sich auf den Boden zu reißen. Sie würde diese Holzdielen nie mehr neutral betrachten können. Sie schmunzelte. Er hatte mit ihr geschlafen, ohne seine Stiefel auszuziehen.
»Hören Sie auf, über mich zu lachen. Hören Sie, ich habe keine Angst. Doch das eine will ich Ihnen sagen: Es muss aufhören. Mir ist so etwas noch nie passiert, dieser totale Verlust meiner Selbstbeherrschung. Ich habe auch vorhin nicht einmal auch nur im Entferntesten daran gedacht, mich rechtzeitig aus Ihnen zurückzuziehen. Wenn das so weitergeht, werden Sie noch schwanger.« Erstaunlicherweise fand Lord Beecham diesen Gedanken gar nicht so furchtbar. Vielmehr sah er sie vor sich, sein Kind in ihrem runden Bauch. Sie lachte und erzählte ihm etwas, woraufhin auch er lachte und sie liebevoll küsste. Und seine Hand ruhte auf ihrem Bauch, auf seinem Kind.
Was war nur los mit ihm? Es musste an dieser verfluchten Lampe liegen.
Helen blickte zu den Fenstern hinter dem Schreibtisch.
Die hellgelben Vorhänge waren zugezogen. Sie ließ die Schultern hängen. »Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen.«
Lord Beecham wusste nicht, was sie meinte. Wieder sah er sie vor sich, das Kind in ihrem Bauch und seine Hände auf ihrem entblößten Körper. »Worüber muss ich mir keine Sorgen machen?«
»Darüber, ob Sie Ihren Samen in mir vergießen. Das ist kein Problem.«
»Meinen Samen in Ihnen zu vergießen ist kein Problem?« Nein, dachte er, es war wirklich kein Problem. »Sind Sie verrückt? Natürlich ist das ein Problem. Ich habe keine Bastarde gezeugt, weil ich immer vorsichtig gewesen bin. Mit Ihnen aber ist das irgendwie anders.«
»Ich bin unfruchtbar.«
Nein, das konnte nicht sein. Klar sah er sie vor sich. Er küsste sie, und ihr vorgewölbter Bauch presste sich gegen ihn. »Woher wollen Sie das denn wissen?«
»Ich war schon einmal verheiratet. Es ist lange her. Ich war gerade achtzehn. Mein Vater meinte zwar, ich wäre zu jung, aber ich war unsterblich verliebt und so ließ er mich gewähren. Mein Gatte war etwa so alt wie Sie jetzt. Nichts wünschte er sich sehnlicher als einen Nachkommen.« Helen verzog den Mund und zuckte die Schultern. »Als der Vertrag von Amiens gebrochen wurde und der Krieg wieder aufflammte, wurde er getötet.«
»Das ist lange her.«
»Ja, wir waren erst zwei Jahre verheiratet, als er starb. Ich ging zu meinem Vater zurück und nahm wieder meinen Mädchennamen an.«
»Davon wusste ich nichts.«
»Woher sollten Sie auch? Es gehört nicht zum Allgemeinwissen.«
»Ich erinnere mich, dass ich Sie fragte, ob Sie verheiratet gewesen seien. Sie sind mir ausgewichen. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt es mir wieder ein.«
»Wenn Sie nicht solch eine Angst hätten, mich zu schwängern, hätte ich Ihnen auch jetzt nichts davon erzählt.
Sie können also aufhören, sich Sorgen zu machen. Ich bin unfruchtbar.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich Helen um und verließ den Raum.
Langsam sammelte Lord Beecham die Notizblätter vom Boden auf. Er legte sie auf Helens Schreibtisch, blies die Kerze aus und ging zu Bett.
Es war schon beinah drei Uhr morgens. Kurz bevor er einschlief, träumte er wieder von Helen. Sie war entkleidet. Er küsste ihren Mund, ihre Brüste und ihren runden Bauch. Er fühlte, wie das noch ungeborene Kind gegen seine Wange trat.
Lord Beecham erwachte aus seinem Schlummer und setzte sich auf. Er war eigentlich nicht abergläubisch und er glaubte auch nicht an Visionen oder übernatürliche Kräfte. Aber wenn Helen ein Mädchen bekäme, überlegte er, würde es eine wunderschöne, scharfzüngige Amazone. Und ein Junge? Er würde ein großer und selbstbewusster Mann werden, ein Vorbild für andere.
Lord Beecham grinste in die Dunkelheit hinein. Jetzt verliere ich auch noch das letzte Fünkchen Verstand, dachte er, während er seine Kissen
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