Wissen auf einen Blick - Ozeane und Tiefsee
zwischen zwei Ebbeperioden – genau halb so lange, also 12 Stunden und 25 Minuten.
Spring- und Nipptiden
Bei der Entstehung der Gezeiten spielt aber auch die Sonne eine Rolle. Da dieser Stern deutlich weiter von der Erde entfernt ist, sind seine Anziehungskräfte zwar geringer als die des Erdtrabanten. Je nach Position von Sonne, Mond und Erde können sie die Gezeiten aber verstärken oder abschwächen. Bei Voll- und bei Neumond stehen Sonne und Mond von der Erde aus betrachtet auf einer Linie, sodass sich ihre Kräfte addieren. Dann gibt es eine „Springtide“ mit besonders hoher Flut und besonders niedriger Ebbe. Bei Halbmond dagegen stehen Sonne und Mond im rechten Winkel zueinander, sodass sich ihre Kräfte zum Teil gegenseitig aufheben. Bei solchen „Nipptiden“ sind die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut besonders gering.
Der Gezeitenweltrekord
Die Lage der Kontinente, die Tiefe der Ozeane und die Form der Küstenlinien haben einen wichtigen Einfluss darauf, wie groß der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ausfällt. Während z. B. die Gezeiten im Mittelmeer kaum spürbar sind, liegen in der Nordsee mehrere Meter zwischen Ebbe und Flut. Rekordhalter aber ist die Bay of Fundy an der Ostküste Kanadas. Die Form dieser Bucht verstärkt die Gezeiten, sodass der Wasserstand dort bei einer Springflut 21 m höher liegt als bei Ebbe
.
Bei Vollmond – hier über dem Mont Saint-Michel in der Normandie – erreicht die Flut besonders hohe Stände
.
(c) mauritius images (age)
Die Kraft des Tidenhubs
Gezeiten als Energiequelle
Energie war schon immer relativ knapp und teuer. Der Blick der Ingenieure richtet sich daher nicht erst seit Beginn der Diskussion um den Klimawandel auf die Weltmeere, wenn über neue Kraftwerkstypen und -standorte diskutiert wird. Bereits im 11. Jh. nutzten z. B. „Gezeitenmühlen“ an den Küsten Frankreichs und Englands die Strömungen, die bei Ebbe und Flut entstehen, um Getreide zu mahlen.
Saint-Malo
Dieses Prinzip griff der französische Staat 1961 wieder auf, als er quer über den Mündungstrichter des Flusses Rance einen 750 m langen Staudamm errichten ließ. In unmittelbarer Nachbarschaft der historischen Stadt Saint-Malo konnten Touristen in diesem Bereich der Bretagne schon immer den größten Tidenhub Europas bestaunen: 12 m steigt der Wasserspiegel zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wasserstand, bei bestimmten Stellungen von Sonne und Mond können es sogar 16 m sein. Bei Ebbe lassen sich die Inseln vor der Stadt daher bequem zu Fuß erreichen, bei Flut finden dort auch größere Schiffe ausreichend Tiefgang.
Strömungskraftwerke
Anders als Gezeitenkraftwerke nutzen Strömungskraftwerke nicht den unterschiedlichen Wasserstand zwischen Ebbe und Flut, sondern die bei den Gezeiten entstehenden Strömungen selbst. In Küstennähe werden in diesen Wasserströmen Turbinen mit einigen Meter langen Rotorblättern verankert, die sich ab Strömungsgeschwindigkeiten von 7 km/h recht gemächlich drehen und so einen Generator antreiben. Erste Anlagen mit Leistungen von jeweils 300 kW arbeiten bereits an der englischen Küste
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Seit der Damm aber den Mündungstrichter der Rance vom Meer abschneidet, drückt die Flut Meereswasser durch 24 Durchlässe in das dahinter liegende Becken mit seiner Oberfläche von 22 km 2 . In jedem Durchlass sitzt eine Turbine, deren Schaufeln von der kräftigen Strömung gedreht werden und die so Strom liefert. Jede Turbine hat eine Leistung von 10 MW, zusammen liefert das Gezeitenkraftwerk von Saint-Malo also mit 240 MW ungefähr ein Drittel der Leistung eines modernen, großen Steinkohlekraftwerks. Bei Ebbe werden die Schaufeln umgestellt, auch das aus dem Mündungstrichter herausfließende Wasser liefert also elektrischen Strom. 600 Mio. kWh fließen von Saint-Malo seit 1966 jedes Jahr ins französische Netz.
Korrosion
Das Gezeitenkraftwerk von Saint-Malo scheint auf den ersten Blick der Prototyp für nachhaltige Energieversorgung zu sein, die nur wenig Klimagase freisetzt. Allerdings haben solche Anlagen auch gravierende Nachteile. So korrodiert Salzwasser die Turbinen relativ rasch, die also in vergleichsweise kurzen Abständen gewartet oder sogar ersetzt werden müssen. Das erhöht nicht nur die Kosten, sondern verhagelt auch die Klimabilanz, weil bei jeder Wartung Energie verbraucht wird, die meist mit der Emission von Kohlendioxid verknüpft ist.
Obendrein blockiert der für ein Gezeitenkraftwerk notwendige Damm den Weg für Organismen,
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